Bekämpfung Mäuse fressen die Ernte auf
In Sachsen-Anhalt grassiert eine Feldmausplage. Die Bauern füchten um ihre Ernte, rechnen mit 50 Millionen Euro Schäden.
Magdeburg l Wenn Jörg Weidemann an den frisch gepflanzten Beständen von Winterraps und -roggen auf seinen Feldern entlangfährt, wird ihm angst und bange. „Die Mäuse fressen uns die jungen Triebe direkt vom Acker“, sagt er.
Mehrfaches Grubbern, tiefes Pflügen – all das habe nichts gebracht. „Wir werden der Plage mit den verfügbaren Mitteln nicht Herr.“
Weidemann ist Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft Silstedt-Benzingerode. Der 1350 Hektar große Misch-Betrieb baut am Harz Kulturen wie Getreide, aber auch Futter für 350 Milchkühe an. „Die Mäuse sind überall“, sagt er. Bei Weizen und Gerste hat das Unternehmen schon jetzt Ausfälle von bis zu 40 Prozent zu beklagen.
Die Nager säßen aber auch im Grünfutter für die Kühe. Aus der Nähe von Halle seien ihm Fotos bekannt, auf denen Mäuse an den Kolben hoher Maispflanzen sitzen, sagt Weidemann.
So wie dem Betrieb im Harz geht es derzeit vielen im Land: Das Julius-Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) spricht von einem „Massenbefall“ mit Mäusen in großen Gebieten Sachsen-Anhalts, Sachsens und Thüringens.
150.000 Hektar sind laut Bauernverband allein in Sachsen-Anhalt stark bis sehr stark befallen. Vor allem im Süden, aber auch in Börde, Harz und im Raum Anhalt fressen sich die Nager durch die Bestände, sagt Verbandssprecher Erik Hecht.
Die befallenen Äcker und Wiesen entsprächen einem Achtel der landwirtschaftlichen Gesamtnutzfläche des Landes. Örtlich rechneten Bauern mit Ernteausfällen von bis zu 50 Prozent. Landesweit kalkuliert der Bauernverband mit Schäden von mehr als 50 Millionen Euro. Doch was sind die Hintergründe für die Plage? Laut Julius-Kühn-Institut läuft die Feldmauspopulation in Zyklen mehrerer Jahre immer wieder auf eine Massenvermehrung zu.
Entspannung ist derzeit noch nicht in Sicht: Das JKI rechnet mit einem Anstieg der Population noch bis Ende der Fortpflanzungszeit in der kühlen Phase des Herbstes. Wegen der Lage gesteht Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) den Bauern jetzt zu, die Mäuse vorübergehend mit Gift zu bekämpfen. Das Problem: Sachsen-Anhalt ist auch Lebensraum für den streng geschützten Feldhamster. Der kleine Nager hat im Land eines seiner letzten Rückzugsgebiete. Mancherorts dürfte er direkt neben Feldmäusen vorkommen.
Die Befürchtung: Auch dem Hamster könnte das Mäusegift, die sogenannten Rodentizide, zum Verhängnis werden. Der Einsatz der Mittel ist daher in weiten Landesteilen normalerweise verboten. Ausnahmsweise ist er jetzt bis 31. Oktober und unter Auflagen erlaubt:
Bauern müssen die Anwendung fünf Tage im Voraus bei den Behörden ankündigen. Hamster dürfen auf der Fläche nicht nachweisbar sein. Die Bauern müssen ihr Vorgehen zudem dokumentieren.
Dalbert spricht von einem „guten Kompromiss“: Sie setze darauf, dass die Landwirte ihrer Eigenverantwortung beim Einsatz des Gifts auch für die Hamsterbestände nachkommen, sagte sie.
CDU-Agrarpolitiker Bernhard Daldrup sagte, der eingeschlagene Weg sei richtig und besser als etwa in Thüringen. Dort müssten Bauern zunächst Gutachter bestellen, die sich die Felder anschauen. Oft kämen die Experten aber nicht. Allein die Auflage, den Gifteinsatz fünf Tage vorher anzukündigen, sei zu streng.
Jörg Weidemann, dessen Felder im Hamstergebiet liegen, hat bei den Behörden derweil beantragt, Gift einsetzen zu dürfen. Von der Genehmigung der Ministerin habe er nur am Rande erfahren, sagt er. Der Landwirt hofft rasch auf grünes Licht, damit zumindest die Winterernte noch zu retten ist.