Flug ins All Bis dahin werde ich wohl Oma sein
Heike Düsterhöft darf ins All. Eine Klage dagegen ist auch in letzter Instanz abgelehnt worden. Doch der Traum bleibt weiter unerfüllt.
Magdeburg l Frische Tulpen stehen auf der Theke der Autowerkstatt, daneben ein Schild „Bitte lächeln“. Statt einer Ersatzteil-Kollektion für das Auto empfängt die Kunden eine große Handtaschensammlung im Regal.
„Das war so eine Idee von mir“, sagt die 52-jährige Magdeburgerin, die sich vor etwa 16 Jahren mit ihrer Werkstatt selbständig gemacht hat. Sie liebt ein wenig Luxus, besitzt mehr als 100 Paar Schuhe und hat etwa 30 Handtaschen.
Sicher nicht gerade das, was man von einer Kfz-Meisterin, gelernten Maschinenschlosserin und langjährigen Lokführerin erwarten würde. Eine junge Frau steckt den Kopf durch die Eingangstür der Werkstatt. Sie will ihr Auto abholen und meint: „Und wann geht es denn nun los in den Weltraum?“
Heike Düsterhöft winkt ab: „Wer weiß wie lange das noch dauert. Bis dahin werde ich wohl Oma sein!“ Sie lacht und nimmt es mit Gelassenheit. „Immerhin habe ich jetzt den Prozess vor dem Oberlandesgericht endgültig gewonnen“, sagt Düsterhöft.
Sie hat nun schriftlich, dass der Tausch mit einem Berliner Autohändler im Frühjahr 2013 rechtmäßig war und sie Anspruch auf den Hauptgewinn einer Fast-Food-Kette hat. Mit 3,4-facher Schallgeschwindigkeit soll sie demnach mit dem Shuttle Lynx MK II ins Weltall fliegen dürfen. Nach einer Stunde Flug sind fünf bis sieben Minuten in der Schwerelosigkeit in 100 Kilometern Höhe versprochen.
Für den ursprünglichen Gewinner des Monopoly-Spiels hatte der Weltraumflug zunächst wenig Reiz. Der Berliner sprach deshalb die Kfz-Meisterin an und wollte als Gegenleistung 25 000 Euro. Der Gebrauchtwagenhändler erhielt von der Magdeburgerin dann ein Fahrzeug im entsprechenden Gegenwert.
Kurze Zeit später stand die in Zerbst im Landkreis Anhalt-Bitterfeld geborene Heike Düsterhöft am 16. Mai 2013 vor einem Dutzend Kameras und Fotografen in einem Magdeburger „Mc Donald‘s“ und nahm ihren Preis im Blitzlichtgewitter entgegen. Der durch einen Eventveranstalter gesponserte Flug sollte 100 000 US-Dollar kosten. Zum Zeipunkt damals waren das rund 78 000 Euro.
Der Gebrauchtwagenhändler fühlte sich angesichts dieser Summe über den Tisch gezogen und reichte vor dem Landgericht Klage ein. Er wollte mehr Geld oder den Gewinn gänzlich zurück. Es folgte ein langer Rechtsstreit, mit erfolglosen Versuchen einer Einigung. „Ich hatte natürlich das alles immer im Hinterkopf, auch wenn mir immer wieder versichert worden ist, dass nur ich für den Flug infrage komme“, sagt die Mutter einer inzwischen erwachsenen Tochter. Josie ist 25 Jahre alt und Polizeikommissaranwärterin.
Im August 2013 ist es trotz des laufenden Rechtsstreits dann erstmals so weit. Die Magdeburgerin nimmt am ersten Training für den Raketenflug teil.
„Diese halbe Stunde Flug mit einem Kampfjet war absolut unglaublich“, erinnert sich Heike Düsterhöft. Der Pilot, Mitte 20, zeigt kein Erbarmen. Er dreht Loopings, geht in den Sturzflug und lässt die Maschine absacken. Zwischenzeitlich wirken Beschleunigungskräfte von 5G auf ihren Körper. „Das war absolut hammermäßig“, sagt sie.
Nur das gute Fitnesstraining lässt sie alles gut überstehen.
Lange sieht es so aus, dass auch schon das zweite Training nicht mehr stattfinden wird.
Der Testflug für den Prototyp des Weltraums-Shuttles „MKI“ verschiebt sich immer wieder, obwohl nach den Ankündigungen der Start schon ab Herbst 2014 von Curacao (eine karibische Insel) erfolgen sollte.
Doch im Sommer 2015 kommt dann die gute Nachricht. Im August fliegt Heike Düsterhöft zum zweiten Training in das Kosmonauten-Trainingszentrum „Juri Gagarin“ nach Moskau. „Das Schönste war wirklich das Rahmenprogramm, wenn man es so nennen möchte. Ich hatte Einblicke in die identisch nachgebauten Raumstationen Mir und der ISS, wo die Kosmonauten für ihren Aufenthalt im All trainieren. Das waren einfach unvergessliche Eindrücke, weil wir auch Bereiche gesehen haben, die nicht jeder zu Gesicht bekommt“, erinnert sie sich. Auf den eigentlichen Parabelflug mit der Iljuschin IL-76, ein schweres russisches Transportflugzeug hätte sie dann doch gerne verzichtet.
„Wir waren etwa eineinhalb Stunden lang in der Luft in etwa 6000 bis 9000 Metern Höhe“, erzählt Düsterhöft.
Die Maschine setzt dabei erst zum Steigflug an und geht dann für 30 Sekundenin den Sturzflug, so dass die Insassen sich in der Schwerelosigkeit befinden. Die Magdeburgerin: „Das Schlimmste ist, wenn der Pilot die Maschine dann wieder abfängt. Da ist man am Boden wie festgenagelt.“
Nach der achten Parabel macht auch ihr Magen nicht mehr mit. „Dabei habe ich noch tapfer durchgehalten. Da gab es andere junge Männer, angehende Kosmonauten, die kurz vorm Kreislaufkollaps standen. Das war brutal, was man da seinem Körper zugemutet hat. Das war Folter“, sagt Düsterhöft. Sie habe vor Schmerzen geschrieen, aber wegen der Lautstärke der Maschine hat das niemand gehört. „Da habe ich mich zwischenzeitlich schon gefragt, warum tust du dir das eigentlich an“, erzählt die Magdeburgerin.
Auf der anderen Seite hat die 52-Jährige eine Begegnung, für die es sich gelohnt hat, all die Strapazen auf sich zu nehmen. Düsterhöft: „Ich hatte die Ehre, Sergei Saljotin kennenzulernen. Er war Mitglied der letzten Stammbesatzung der Raumstation Mir, bis diese 2001 verglüht ist. Er ist kein abgehobener Mensch, wir haben interessante Gespräche geführt und natürlich auch einen gehoben. Auch das gehört in Russland dazu.“ Kosmonaut zu sein, das sei schon etwas Besonderes.
Heike Düsterhöft würde der Ausblick aus rund 100 Kilometern Höhe auf den blauen Planeten reichen. Ihr Trainingslevel stimmt. Doch noch muss sie warten.
Henning Richard Haltinner, der die Vermarktung der privaten Weltraumflüge organisiert, sagt: „Wir hoffen, dass MK I (steigt nur bis 65 Kilometer hoch) im Laufe des Jahres präsentiert werden kann. Dann müssen nur noch die Testflüge genehmigt werden.“ Zeitgleich werde auch an MK II (steigt bis 110 Kilometer hoch) gebaut, der die eigentlichen Weltraumflüge für Privatpersonen jeweils als Co-Pilot anbieten soll.
„Ganz realistisch müssen wir sagen, dass die ersten kommerziellen Flüge erst 2018 bzw. 2019 stattfinden können. Das ist aber noch unverbindlich“, sagt Haltinner. Damit korrigiert er erneut das mögliche Abflugdatum. Die Schwierigkeiten bei dem Projekt seien ganz klar die zu klärenden Sicherheitsfragen. Haltinner: „So etwas gab es vorher noch nie und ist für uns alle eine große Herausforderung.“ Innerhalb weniger Sekunden werde immerhin das Raketenflugzeug auf 3500 Kilometer pro Stunde beschleunigt. „Dementsprechend kommt für uns der Faktor Sicherheit vor der Zeit“, sagt der Spezialist für Weltraum-Tourismus. Für MK II haben sich die Preise übrigens inzwischen erhöht, auf 150 000 US-Dollar (132 000 Euro).
Die Magdeburgerin Heike Düsterhöft bleibt angesichts der Verspätung gelassen: „Mir ist es lieber, dass es etwas länger dauert, als wenn die Erde das Letzte wäre, was ich gesehen habe. Selbst mit 70 Jahren würde ich da noch hochfliegen.“