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Brexit Briten in Sachsen-Anhalt geschockt

Die Volksstimme hat sich bei in Sachsen-Anhalt lebenden Briten und hiesigen Politikern umgehört, wie sie den Brexit bewerten.

24.06.2016, 23:01

Magdeburg l Großbritannien wird in den kommenden Monaten um den Austritt aus der Europäischen Union verhandeln. Briten in Sachsen-Anhalt hielten den Brexit nicht für möglich und zeigen sich nun schockiert vom Ergebnis des Referendums. Auch Politiker aus dem Land waren überrascht.

Prof. Cornelia Scott von der Hochschule Anhalt in Bernburg: "Der Schock sitzt tief. Dieser Tag ist für mich als Britin ein Alptraum. Man kann es einfach nicht glauben. Schade, dass ich selbst nicht abstimmen konnte, weil ich seit 15 Jahren nicht mehr in Großbritannien lebe. Es könnte der Anfang vom Ende der EU sein, wenn vielleicht Dänen oder Niederländer ähnliche Referenden abhalten und in Frankreich sind im kommenden Jahr Wahlen … In Großbritannien selbst könnte es wieder ein schottisches Unabhängigkeitsreferendum geben, auch die Nordiren sind eher für die EU eingestellt. Womöglich bleibt dann nur noch ein „Little Britain“ aus England und Wales. Aber wie sagen die Briten: Keep Calm and Carry On – das Leben geht weiter."

Christopher Abram, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Brite: Ich kann nur sagen, dass ganz Europa von den unehrlichen und egoistisch politischen Tricks von David Cameron und seinem pathetischen Vorwand für eine Regierung im Stich gelassen wurde. Der Mann selbst war ein schwacher, vornehmer Lügner, der das Schlimmste des finanziellen Establishments vertritt und zumindest können wir alle froh sein, ihn von hinten zu sehen.

Karen Stone, Generalintendantin des Theaters Magdeburg und Engländerin: "Ich bin schockiert, denn ich hatte zwar damit gerechnet, dass das Referendum knapp ausfallen wird, aber dass die Briten sich für den Brexit entscheiden, das hätte ich nicht geglaubt. An Hand des Wahlausgangs kann man die politische Stimmung in vielen Ländern ablesen, denn nicht nur in Großbritannien ist es offensichtlich so, dass sich ein Großteil der Bevölkerung von den großen Parteien und deren Politik nicht vertreten fühlt. Direkte Konsequenzen gibt es meiner Meinung nach erst einmal nicht, denn ich gehe davon aus, dass sich die Trennung von Europa über zwei bis drei Jahre erstrecken wird. Die schlimmeren Folgen sind meiner Meinung nach, dass populistische Parteien in Europa Aufwind erhalten werden. Es ist zu hoffen, dass dieses Referendum ein Warnsignal an die europäische Politik ist und dass es als Chance begriffen wird, etwas zu ändern."

Warren Green, Moderator bei Radio SAW, Brite: "Ich wäre für die Verbleib Großbritanniens in der EU gewesen und war überrascht, dass es anders gekommen ist. Ich hätte gedacht, dass die Briten, wenn es ernst wird, den Schwanz einklemmen und für die EU stimmen. Wir müssen nun einen neuen Premierminister finden. Ich glaube bei den Handelsbeziehungen wird nicht gleich alles über Bord geworfen, zumal Großbritannien keine Euro hat. Ich denke, ein Beispiel könnte die Schweiz sein, die auch nicht in der EU ist – trotzdem läuft es prima."

Tino Sorge, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Magdeburg: "Ein Großteil meiner Generation genießt die Vorteile der EU wie Reise-, Handels- und Niederlassungsfreiheit und lebt die europäische Idee. Allerdings muss man auch sagen, dass die Entscheidung der Briten mit Ansage war, da es gerade auch seitens der Politik in den vergangenen Jahren nicht ausreichend gelungen ist, den Bürgern europäische Entscheidungen und die Vorteile der EU zu erklären. Gefühle der Bevormundung durch europäische Gremien u. a. zum Krümmungsgrad der Banane sind Beispiele dafür. Klar ist auch, dass wir die Entscheidung der Briten akzeptieren müssen und es bei den Austrittsverhandlungen keinen Bonus für die Briten geben kann."

Arne Lietz, SPD-Europaabgeordneter aus Wittenberg: "Es ist enttäuschend, dass sich die Menschen in Großbritannien mehrheitlich für ein Verlassen der EU ausgesprochen haben. Jetzt ist es an der Zeit, wichtige Reformen auf europäischer Ebene voranzutreiben, die nachhaltiges Wachstum generieren. Wir brauchen europäische Beschäftigungsprogramme, die vor allem die Jugendlichen im Süden Europas in Arbeit bringen. Die hierfür benötigten Gelder können wir unter anderem durch eine verbesserte Steuergerechtigkeit mobilisieren. Ich hoffe, dass der Brexit hier den Weg freimacht für eine effektivere Bekämpfung von Steueroasen durch EU-weite Regeln und Vorgehensweisen."

Sven Schulze, CDU-Europaabgeordneter aus dem Harz: "Ich respektiere und bedauere zugleich die Entscheidung der britischen Wähler. Wichtig für uns in Sachsen-Anhalt ist, dass wir unsere engen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen zu Großbritannien aufrechterhalten. Für die entsprechenden Grundlagen werde ich mich bei den Austrittsverhandlungen einsetzen."