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CDU Bricht die Kenia-Koalition?

Streit um höhere Rundfunkbeiträge: Schon wird über vorgezogene Neuwahlen oder eine CDU-Minderheitsregierung spekuliert.

Von Michael Bock 30.11.2020, 00:01

Magdeburg l Am  Dienstag tagt die CDU-Landtagsfraktion um 8 Uhr. Es geht um das heikle Thema Rundfunkbeitrag. Bis zuletzt gibt es Bestrebungen aus der Staatskanzlei, eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD noch zu verhindern. Ein Idee ist, das an den Landtag weitergeleitete Papier zum Vertrag einfach zurückzuziehen. Konsequenz: Es gäbe keine Abstimmung. Und auch keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021.

Dieser Weg ist umstritten, auch in der CDU. Deren Medienpolitiker Markus Kurze warnt vor „Taschenspielertricks“. Er lasse sich nicht umstimmen. Er ist sicher: Im Medienausschuss werden am Mittwoch alle fünf CDU-Mitglieder gegen eine Erhöhung des Beitrags um 86 Cent monatlich auf dann 18,36 Euro votieren. In dem 13-köpfigen Gremium bringen es CDU und AfD gemeinsam auf acht Stimmen. SPD, Linke und Grüne kommen zusammen auf fünf.

Detlef Gürth, CDU, Mitglied im Medienausschuss, hat hunderte Rückmeldungen erhalten.„Zwei lehnten unsere Position ab, mehr als 200 sagten: Bleibt standhaft.“ Die CDU halte sich an den Koalitionsvertrag. Darin hatten Union, SPD und Grüne „Beitragsstabilität“ vereinbart. „Stabilität heißt gleichbleibend“, sagt Gürth. „Wir sind koalitionstreu. Die Fraktion steht.“ Kritik von SPD und Grünen empfindet der einstige Landtagspräsident als „antidemokratisch, als Nötigung von Verfassungsorganen“. Und die Öffentlich-Rechtlichen? „Wir wissen, dass die klagen werden“, sagt Gürth. „Die betrachten uns aus ihrer Wolke und sagen: Was erlauben sich die Zonis?“ Wenn der Ausschuss am Mittwoch mehrheitlich den höheren Beitrag kippt, ist das eine Art Vorentscheidung für die Landtagssitzung am 15. Dezember. Sollten CDU und AfD den Rundfunkvertrag auch im Parlament ablehnen, dürfte das Ende der seit 2016 regierenden Koalition von CDU, SPD und Grünen eingeläutet sein.

Sozialdemokraten und Grüne haben bereits gedroht, das Bündnis zu verlassen, sollten CDU und AfD gemeinsame Sache machen. Die Sozialdemokraten wollen dann einen Sonderparteitag einberufen. „Wenn das Bollwerk gegen Rechts fällt, ist für mich die Geschäftsgrundlage dieser Koalition weg“, sagt Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. Die CDU lege die „Axt an das Fundament von Kenia“, warnt Landeschef Sebastian Striegel. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagt: „Demokratien scheitern, wenn Konservative die Tore nach Rechtsaußen aufmachen.“

„Die spielen sich auf, als wären sie die Könige“, schimpft CDU-Mann Kurze. Was aber passiert, wenn SPD und Grüne aus der Koalition aussteigen sollten? CDU-Parteivize und Bildungsminister Marco Tullner sagt: „Ich plädiere dann für vorgezogene Neuwahlen.“ Er kann die Kritik an einer möglichen gemeinsamen Abstimmung von CDU und AfD in diesem Fall nicht so recht nachvollziehen. Tullner argumentiert: „Wenn wir sagen, wir sind für Weltfrieden, und die AfD ist es auch, dann kann sie doch unsere Position übernehmen.“

Detlef Gürth hält eine andere Option für wahrscheinlich – eine CDU-Minderheitsregierung. „Reisende soll man nicht aufhalten, sagt er zur Drohung von SPD und Grünen, ihre drei Minister abzuziehen. Dann könnten bis zur Wahl im Juni 2021 andere Häuser die verwaisten Ministerien übernehmen sagt Gürth. Finanzminister Michael Richter, CDU, etwa das Wirtschaftsministerium von Armin Willingmann, SPD.

Ein Minderheiten-Modell wurde in den zurückliegenden Jahren immer mal wieder in Teilen der CDU favorisiert. Zuletzt hatte Fraktionsvize Lars-Jörn Zimmer im Februar eine CDU-Minderheitsregierung für denkbar erklärt. Seinerzeit pfiff ihn die Parteispitze zurück.

Viele auch in der eigenen Partei bewegt nun die Frage: Was macht Ministerpräsident Reiner Haseloff, der zurzeit auch Bundesratspräsident ist? Der sitzt zwischen Baum und Borke. Auch er ist gegen eine höheren Beitrag, doch eine Abstimmung von CDU und einer immer weiter nach rechts rückenden AfD lehnt er strikt ab. SPD und Grüne werfen Haseloff vor, Schuld am Schlamassel zu haben, weil er die Lage unterschätzt habe.

Haseloff hat mehrfach deutlich gemacht, dass er für eine Minderheitsregierung nicht zur Verfügung stehe. Doch würde er wirklich zurücktreten? Rückhalt in Fraktion und Partei hat er. Zuletzt war zu hören, Haseloff werde das Handtuch nicht mitten in einer Pandemie werfen.