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Burg Falkenstein Das letzte Geheimnis des Kastellans

Jahrzehnte blieben wertvolle Kunstgegenstände auf der Burg Falkenstein verborgen. Nur durch einen Zufall wurden sie jetzt wiederentdeckt.

Von Alexander Walter 28.06.2017, 01:01

Falkenstein l Es ist eine Szene wie aus einem Kino-Film: Der Zweite Weltkrieg ist gerade beendet, das nationalsozialistische Deutschland hat kapituliert. Nach dem Abzug der Amerikaner haben Anfang Juli die Sowjets das spätere Sachsen-Anhalt besetzt. Auch in die 800 Jahre alte Burg Falkenstein im Harz rücken die neuen Herren ein.

Hier im Waldesrauschen, 350 Meter über dem kriegszerstörten Land, lagern in diesen Tagen Akten des Auswärtigen Amtes aus Berlin. Doch die uralten Mauern bergen weit Wertvolleres. Die neuen Herren ahnen das. Die Provinzialregierung gibt die Marschrichtung vor: Wertvolle Kunstgüter des Adels sollen in zentrale Sammelstellen nach Wernigerode und Halle überführt werden. Die Besitzer der adligen Familie von der Asseburg können sich nicht mehr wehren. Kurz vor der Machtübergabe an die Sowjets sind sie ins Schloss Hinnenburg nach Westfalen geflohen. Falkenstein wird bald enteignet. Mit Gustav Henne bleibt einzig der Burgverwalter zurück.

Der loyale Kastellan allerdings wird aktiv und tritt Begehrlichkeiten entgegen. In einem Spalt in der Decke über seiner Wohnung legt er ein raffiniertes Versteck an. Eingewickelt in Zeitungspapier lässt er Meißner Porzellan und zwei Prunkpokale aus Silber – insgesamt 25 Gegenstände – verschwinden.

Daneben 18 teils noch versiegelte Arzneigefäße. Die Gegenstände verstaut Henne in Pappkartons hinter einer Verkleidung aus Brettern. Der Plan geht auf, der Schatz entgeht den Blicken. Bis 1963 lebt Henne noch auf der Burg, hochbetagt verstirbt er in der Region. Reden wird er während all dieser Zeit nie. Das Wissen um den Schatz nimmt er mit ins Grab.

Erst 72 Jahre später fliegt das Versteck auf: Bei Sanierungsarbeiten vor wenigen Wochen öffnen Bauarbeiter zufällig die Wandverkleidung. Die Überraschung im heutigen Museum Burg Falkenstein ist groß. „Vor kurzem hätte ich gewettet, wir finden nichts mehr“, sagt Direktor Joachim Schymalla.

Tatsächlich ist das Versteck des Kastellans nicht das einzige und längst nicht das größte, das seit der Wende auf der Burg entdeckt wurde. Den größten Teil ihrer Kunstschätze hatten die Grafen Lothar und Karl Christoph von der Asseburg-Rothkirch kurz vor ihrer Flucht noch selbst verschwinden lassen.

Es war im April 1945. Die Russen stießen unaufhaltsam Richtung Elbe vor. Spitzen der amerikanischen Truppen standen bereits auf sachsen-anhaltischem Boden. Die Familie von der Asseburg bereitete sich hektisch auf das Kriegsende vor.

In einem Zwischengeschoss über dem Gewölbe der Burgkapelle lagerten die Grafen Porzellan, Teile des Familienarchivs, Waffen, Gläser sowie mehrere Essservice ein. Insgesamt mehr als 5000 Einzelstücke. Schon das sogenannte ABC-Service war eine Kostbarkeit. „Es war ein Geschenk des Preußenkönigs Wilhelm des Großen“, sagt Museumsleiter Schymalla. Das Versteck ließen die Grafen sorgfältig verschließen. Ein Diener schwärzte die darüber liegenden Fliesen so gründlich ein, dass weder Amerikaner noch Sowjets etwas bemerkten. Die Schatzkammer erhielt den Tarnnamen „Magdeburg“. Darüber, was in der „Stadt“ lagerte, konnte sich die Familie schließlich unverfänglich unterhalten.

Selbst zu DDR-Zeiten, die Burg war längst ein Museum, stolperte niemand über „Magdeburg“. Hunderttausende Besucher gingen in dieser Zeit über die versiegelte Kammer. Mitwisser Gustav Henne schwieg auch dazu beharrlich.

Ohne echte Anhaltspunkte roch die Staatsführung dennoch Lunte. „Die Stasi vermutete das Bernsteinzimmer auf der Burg“, sagt Joachim Schymalla. Ein Offizier hatte von einer Verladeaktion der Nazis mit etlichen Kisten kurz vor Kriegsende in Thüringen gelesen.

Wie weit konnten die Transport-Lkw wohl auf den zerstörten Straßen im Frühling 1945 gekommen sein, fragte sich der Stasi-Offizier. Er schloss auf Burg Falkenstein. Die Suche der DDR-Oberen aber blieb erfolglos. Erst die Wende brachte die Grafenbrüder in Bedrängnis. „Der Landkreis führte damals Vermessungen im Schloss aus“, erzählt Schymalla.

Dabei stießen Mitarbeiter auf Ungereimtheiten.Die Familie von der Asseburg gab das Geheimnis schließlich preis: 46 Jahre nach der Versiegelung wurde „Magdeburg“ im Beisein der Familie geöffnet.

Alle 5000 Gegenstände waren noch da und unversehrt. Die Stiftung „Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt“ erhielt für viele der Stücke ein Brauchsrecht über 25 Jahre. Auf der Burganlage entstanden Ausstellungen mit den Objekten. Herzstück ist dabei der Rittersaal. In dem Raum ist heute das wertvolle Essservice ebenso zu sehen wie böhmische Gläser mit den Familienwappen derer von Asseburg.

Doch war’s das jetzt endgültig mit neuen Schätzen auf Falkenstein? „Ja“, glaubt Museumsleiter Schymalla. Allerdings sei er ja auch beim Schatz des Kastellans schon widerlegt worden. Ausschließen will er dann auch nichts: „Schauen wir, was die Zukunft bringt“, sagt er. Immerhin gab es weitere Schätze im Umfeld der Burg.

Schon 1943 sollen die Grafen-Brüder Kisten mit Waffen und Schmuck im Wald vergraben haben. Der britische Offizier Peter Vickery, ein Schwiegersohn der Familie, fand zwei von ihnen 1990 mit einem Metalldetektor wieder. In einer soll sich der „Asseburger Glücksbecher“ befunden haben.

Laut Sage erhielten die Burgherren einst drei dieser Becher von Zwergen. Das Wohl des Geschlechts soll an das Schicksal der Gefäße gebunden sein. Es sind Legenden wie diese, die auch heute 75 000 Gäste pro Jahr nach Falkenstein locken. Lust auf einen Burgbesuch?