Karls Erlebnishof Das neue Reich des Erdbeerkönigs
"Karls"-Erdbeer-Erlebnishof zieht es nach Sachsen-Anhalt auf einen alten Gutshof in Loburg. Doch nicht jeder ist begeistert.
Loburg l Der Erdbeerkönig hat etwas staubige Jeans. Aber er ist unverzagt. „Bis zur Eröffnung am Ostermontag ist das alles fertig. Garantiert“, sagt Robert Dahl und zeigt auf das vor ihm liegende Rittergut von Barby im 2020-Seelen-Ort Loburg (Jerichower Land). Das 400 Jahre alte Gutshaus hat er seit 2014 sanieren lassen, ein Restaurant mit 200 Plätzen (inkl. Außenbereich) und saisonaler Küche wird er hier Ostermontag eröffnen. Im ehemaligen Verwalterhaus betreibt er bereits seit 2014 das Barbycafé. Während Letzteres schon länger rustikale Gemütlichkeit verströmt, klaffen draußen Baugruben, fahren Arbeiter mit Schubkarren umher. Eine Baustelle. Doch der 47-jährige Unternehmer ist selbstbewusst. Es ist nicht sein erstes Projekt in dieser Größenordnung.
Dahl, schlank, lockeres Outfit, mit sympathischen Lachfältchen im Gesicht, hat mit Erdbeeren ein Imperium begründet. 1992 in Rövershagen bei Rostock mit einem Traktor und zehn Hektar Land gestartet, haben schnell viele Menschen die Kunde von dessen vorzüglich schmeckenden Erdbeeren vernommen. Mit 5000 Tonnen Ertrag pro Jahr ist der gebürtige Lübecker heute einer der größten Erdbeerproduzenten in Deutschland.
Ein Erfolgsrezept: Der Direktvermarkter ließ einen seiner roten Verkaufsstände nach dem anderen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen errichten. 400 dieser markanten Buden in Erdbeeroptik stehen heute in Einkaufsstraßen und vor Supermärkten. Die Erdbeeren kommen aus Rövershagen. Mit seinen fünf Erlebnisdörfern – teils riesigen Verkaufsscheunen mit Produkten rund um die rote Frucht – hat der gelernte Obstbauer gutes Geld verdient.
Über seinen Jahresumsatz schweigt er vornehm. Die Inspiration für seine Dörfer, eine Mischung aus Erlebnisbauernhof und Disneyland, hat er sich in aller Welt geholt. Vor allem die USA haben es ihm angetan. „In Sachen Kundenansprache und Marketing können wir uns dort eine Menge abgucken“, findet der dreifache Familienvater. Nach diesem Vorbild ziehen seine Themenparks Jahr für Jahr Kolonnen von Reisebussen an.
Bei „Karls“ in Rövershagen gibt es alles von Marmelade über Erdbeersekt bis zu Gummistiefeln, die mit Erdbeeren bedruckt sind. Kinder können Go-Kart fahren oder sich in einem fliegenden Kuhstall durch die Luft wirbeln lassen. Jährlich kommen rund 1,2 Millionen Besucher. In Elstal bei Berlin soll 2020 ein Ferienressort eröffnen. Kürzlich hat er auch noch ein Hotel aus dem Boden gestampft.
„Die endgültige Betriebsgröße wird vom Absatz bestimmt“, lautete ein Credo seines Vaters Karl-Heinz Dahl. Robert Dahl hat gute Erfahrungen mit solchen väterlichen Ratschlägen gemacht.
In Loburg steigt ein Rentner vom Fahrrad und reckt den Daumen nach oben: „Super, was sie hier machen.“ Robert Dahl lädt ihn ein, sich das Haus von innen anzusehen. Der neue „Gutsherr“ ist volksnah. Rundgang mit dem Rentner – immer gern. „Vom ersten Tag an habe ich hier in Loburg sehr viel Herzlichkeit erfahren“, erzählt der Unternehmer im Eingangsbereich des 400 Jahre alten Gutshauses. Der Boden ist hier mit historisch anmutenden Zahna-Fliesen gestaltet. Im Rittersaal im ersten Stock wurde die prachtvolle weiße Kassettendecke rekonstruiert. Teile des 400 Jahre alten Holzbodens konnten ebenfalls gerettet werden. Vieles war indes arg heruntergekommen, als Dahl das Gebäude-Ensemble 2011 erstmalig unter die Lupe nahm. Von seiner Tante kam der Tipp. Das alte Familienanwesen stehe zum Verkauf. 1945 wurden Dahls Großeltern mütterlicherseits hier enteignet.
Zahllose Zwischennutzungen gab es hier über die Jahre. „Vor seinem Tod hat sich Opa gewünscht, dass das Gutshaus irgendwann wieder uns gehört“, eröffnet ihm die Tante. Einer wie Robert Dahl empfindet einen solchen Satz als direkte Handlungsanweisung. Er schlägt für 80.000 Euro zu. Viel zu tun, denkt er sich. Doch er hat eine Vision. Den Turm, der früher zur Stadtbefestigung gehörte, lässt Dahl zu einer kleinen Wohnung für sich und seine Frau herrichten. Insgesamt steckt er vier Millionen Euro in die Sanierung des alten Rittergutes von Barby. Das ist noch längst nicht alles. Denn Dahl kann nicht nur Erdbeere. Auf bis zu 50 Hektar wächst am Ortseingang von Loburg die womöglich größte Walnussplantage Deutschlands. Auch wenn der Ertrag noch mehrere Jahre auf sich warten lässt – ein weiteres Ausrufezeichen dafür, dass Robert Dahl es ernst meint mit Loburg.
Am Ostermontag fällt der Startschuss im Restaurant. „Bezahlbar und lecker“ soll es sein. Zehn bis zwölf Euro für ein Hauptgericht. Von 25 Mitarbeitern, die er in Loburg beschäftigt, kommt gut ein Drittel aus der Region. Den Großteil seiner Handwerker – fand er direkt in Loburg. „Das ist doch hervorragend“, findet der Bürgermeister der Einheitsgemeinde Stadt Möckern, zu der Loburg gehört, Frank von Holly. Er hoffe, dass das Signal des Aufbruchs bei den Loburgern ankomme. „Fühl dich wohl und bleibe hier, darum geht es doch.“ Dieses Gefühl müsse man vermitteln, findet der Bürgermeister.
Loburg hat seit 2007 zehn Prozent seiner Einwohner verloren. Von Holly will dagegensteuern. Ein touristisches Flaggschiff kann da nicht schaden. „Er hat aus einem ruinösen historischen Komplex eine Perle geschaffen. Mit einer Wirkung, die weit über die Region ausstrahlt. Das ist bereits jetzt spürbar. Dafür sollten wir bereit sein, alte Gewohnheiten zu verändern.“
Etwas belebter wird es wohl werden in Loburg. Ein vermeintlicher Parkplatz-Gau entfachte jüngst eine erhitzte Debatte im Ortschaftsrat. Zur Eröffnung wird der Marktplatz zum Parken freigegeben. Neben den zwei bestehenden Plätzen soll weiterer Parkraum erschlossen werden.
Unter den Loburgern gehen die Meinungen auseinander. Dass der Schandfleck saniert wurde, das sei gut, sagt ein Pärchen um die vierzig, das unweit des Gutshauses wohnt. Respekt vor dem Besucheransturm habe man allerdings. „Es ist jetzt schon deutlich mehr Verkehr hier“, sagen sie. Und laut sei es durch die Bauarbeiten. Ein Pärchen mit einem Kinderwagen hofft darauf, dass Arbeitsplätze entstehen. Und der eine oder andere „Lichtblick für die Jüngeren“. Einige „Jüngere“, die sich die Zeit auf dem Markt vertreiben, sind genervt von dem Trubel. „Für uns gibt‘s da doch nichts. Wir haben nichts davon“, sagt ein 18-jähriges Mädchen.
„Einen Touristen-Hotspot“, wie die „Bild“-Zeitung Dahl fälschlich zitierte, wolle man auf keinen Fall, sagt der 47-Jährige. Essen im Rittergut, Verweilen im Biergarten, eine Kremserfahrt und einen anschließenden Besuch in der gläsernen Manufaktur der Obstbrennerei Kullmann und Sohn, das kann er sich alles gut vorstellen. Bittet man Dahl um einen Ausblick in die Zukunft, gerät er nichtsdestotrotz ins Fabulieren: Der Ort habe mindestens 70 unsanierte Häuser, die für Investoren interessant werden könnten. Ein historischer Stadtkern mit einer Handvoll Schau-Manufakturen. Mal sehen, was machbar ist.
Apropos Manufaktur: Gegenüber vom Gutshof zeigt Kullmann-Chef Alf Kullmann stolz auf die kupfern glänzende neue Destille seiner „Gläsernen Manufaktur“. Robert Dahl hatte eine Kooperation angeleiert. 600 000 Euro kostet der Aufbruch ins neue Zeitalter des Brennens. 35 Prozent der Invstitionssumme fließen aus Landesmitteln. Auch bei Kullmanns fällt am Montag der Startschuss. Die Spezialität an diesem Tag ist – ganz klar – ein Erdbeerlikör.
Der Rentner hat seinen exklusiven Rundgang mit Robert Dahl inzwischen beendet. Und ist begeistert. „Da ist so viel Liebe zum Detail dabei. Der Herr Dahl wird uns guttun“, befindet der Loburger. Zur Eröffnung will er vorbeischauen. Robert Dahl wird‘s gern vernehmen.