DDR-Erbstück Abhörkuppel kehrt in den Harz zurück
Das Ostdeutsche Fahrzeugmuseum in der Harzstadt Benneckenstein baut eine Original-Abhörkuppel vom Brockenplateau wieder auf.
Benneckenstein/Lehrte l Ein sprichwörtlicher Sechser im Lotto beschert Mario Tänzer im Moment riesengroße logistische Herausforderungen. Gilt es doch, die demontierten Teile einer früher auf dem Brocken platzierten Abhörkuppel vom niedersächsischen Lehrte in den beschaulichen Harzort Benneckenstein zu transportieren. Die Schalenteile des sogenannten Radoms sind teilweise recht groß und bringen – trotz ihrer glasfaserverstärkten Plastbauweise – insgesamt 22 Tonnen auf die Waage. „Das ist schon ‘ne Mega-Herausforderung – der stellen wir uns aber gern“, erklärt der 35-Jährige.
Was nur logisch ist. Handelt es sich bei der Abhörkuppel doch um ein geschichtsträchtiges Erbstück der DDR. Einst schützten sowohl der DDR-Geheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit als auch die Rote Armee der Sowjetunion damit ihre Abhörtechnik auf dem strategisch wichtigen, 1141 Meter hohen Brockenplateau. Sowohl vor den rauen klimatischen Bedingungen als auch vor neugierigen Blicken der Gegenseite. Standen sich doch am Brocken und wenige Kilometer entfernt im Bereich Torfhaus im Kalten Krieg die Geheimdienste der Blöcke Auge in Auge gegenüber.
Nach der Wende zogen die Russen ab. Ihre und auch die Radome der Staatssicherheit (Stasi) wurden entfernt und wahrscheinlich überwiegend zerstört. Heute erinnert lediglich noch das Radom auf dem früheren Haus der Stasi hoch oben auf dem Brocken optisch an die vergangenen Zeiten. In der sogenannten Brocken-Moschee ist heute das Brockenhaus mit Museum untergebracht, in dem sowohl über den Nationalpark als auch über die Geschichte des Brockens an der Nahtstelle der Systeme informiert wird.
„Um so interessanter ist es für uns, nun in den Besitz eines solchen Radoms zu kommen“, berichtet Tänzer. Der Weg dorthin? „Der war von vielen Zufällen und Überraschungen geprägt“, verrät er. Ende 2016 habe plötzlich ein Niedersachse angerufen und dem Museum das Radom angeboten – abgesehen von den Transport- und Aufbaukosten zum Nulltarif.
Jener Niedersachse ist Michael Seidel. Der 49-Jährige ist Sohn des verstorbenen Spediteurs Bernd Seidel. Ein Erbstück sei das Radom gewesen, das – wie und auf welch’ verschlungenen Wegen auch immer – irgendwann mal nach Lehrte gekommen sei. Sein Vater habe zwar nicht – wie immer wieder kolportiert wird – testamentarisch verfügt, dass das Radom in ein Museum kommen soll. „Letztlich ist es aber unser Wunsch als Erben, dass es erhalten bleibt. Schließlich ist es, irgendwo aufgebaut, ja auch ein Stück Erinnerung an meinen alten Herrn“, argumentiert Michael Seidel.
Auf der Suche nach einem Interessenten sei er dann in Benneckenstein fündig geworden. Nachdem zuvor Versuche, das schwergewichtige Teil via Internet zu versteigern, gescheitert waren.
Für Mario Tänzer, der das Museum mit Eltern und Familie betreibt, ist der Museums-Neuzugang Freude und Herausforderung zugleich. Allein das Fundament – zwölf Meter im Durchmesser – sei sprichwörtlich ein Brocken. „Allein dafür veranschlagen wir 4500 Euro, hinzu kommen die Transportkosten.“ Sich mit dem Radom ein wirklich seltenes Erbstück der DDR fürs Museum geangelt zu haben, sei den Aufwand aber allemal wert. In den Sommermonaten sollen die restlichen Schalenteile in den Harz geholt werden und parallel der Aufbau starten. Wer einst unter der Horchkuppel residiert und die Lauscher gespitzt hat – Stasi und Rote Armee waren auf dem Berg zwar brüderlich verbunden, trauten sich aber gegenseitig nicht über den Weg – ist unklar.
Sicher ist für Tänzer hingegen, woher die Kuppel stammt. „Sie wurde einst in den Defa-Filmstudios in Potsdam-Babelsberg gebaut – für vier Millionen DDR-Mark“, hat er in Erfahrung gebracht. Und sie hat nach dem Einsatz auf dem Abhörberg im Harz bewegte Zeiten hinter sich: Zur Expo 2000 war sie als Ausstellungspavillon in Hannover aufgebaut. Ab wann Besucher die Kuppel in Benneckenstein sehen können, ist noch nicht klar. „Bis zum Jahresende wollen wir das Teil erstmal aufbauen. Uns schwebt vor, alte Radartechnik darin auszustellen“, sagt Mario Tänzer.