DDR Umstrittenes Gedenken
Warum die Ehrung für „Spur der Steine“-Autor Erik Neutsch in Schönebeck für Ärger sorgt.
Schönebeck l In der Blumenstraße 50 in Schönebeck steht das Geburtshaus von Erik Neutsch. Eine neue Gedenktafel soll an den prominenten Sohn der Stadt erinnern. Neutsch war Schönebecker und wäre im Juni 89 Jahre alt geworden. Nun erhebt seine in Halle lebende Tochter Marita Neutsch Vorwürfe: Den Text auf der Tafel hätte ihr Vater keineswegs gut gefunden. „Ja, es war ein Wunsch meines Vaters, dass irgendwann einmal an seinem Geburtshaus vielleicht eine Tafel an ihn erinnern würde. Nun ist dort eine Gedenktafel, aber leider nicht ganz nach seinen Vorstellungen“, sagt Marita Neutsch. Begründung: Dort sei ein gravierender Fehler zu lesen.
„Der Friede im Osten“ besteht aus 5 Büchern, nicht aus 5 Bänden!“ Tatsächlich ist auf der Tafel hinter dem Buchtitel in Klammern vermerkt: 5 Bände. Neutsch selbst habe aber auf die Formulierung Bücher bestanden - und nicht Bände. Das habe sie im Vorfeld auch der Erik-Neutsch-Stiftung mitgeteilt, die sich in Schönebeck um das Andenken des Schriftstellers kümmert.
Marita Neutsch ärgert sich aber noch weiter über die Tafel: „Wenn man jemanden ehren will, dann hebt man auch auf gar keinem Fall die wichtigsten Werke hervor. Das macht man einfach nicht. Gleicht ja fast einem Urteil, was ist gut, was nicht“, so die 66-Jährige. „Was sind denn für wen überhaupt die wichtigsten Werke? Wer will das beurteilen? Doch nur der Autor selbst, wenn überhaupt!“ Für ihren Vater seien alle seine literarischen Werke jeweils zu seiner Zeit sehr bedeutsam gewesen. Zu Neutschs bekanntesten Werken zählt vor allem der Roman „Spur der Steine“, auf den ebenfalls auf der Tafel hingewiesen wird. Mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren war der Roman eines der meistgelesenen Bücher in der DDR und wurde 1965 mit Manfred Krug verfilmt.
Linken-Politiker und Stiftungs-Vorstandsmitglied Roland Claus - seit kurzem in Schönebeck ansässig - versteht die Aufregung um die Tafel nicht. „Wir haben die Hinweise von Marita Neutsch erhalten“, so Claus. Ihre Anmerkungen seien aber für ihn und die Stiftung kein Grund gewesen, die Tafel zu verändern. „Selbstverständlich kann man auf wichtige Werke eines Schriftstel- lers hinweisen, das ist völlig normal und legitim“, sagt Claus. Auch der Unterschied zwischen den Begriffen Band und Buch sei nun wirklich nicht wichtig, findet der Politiker. Viel wichtiger sei doch, dass an Neutsch in seiner Geburtsstadt angemessen erinnert werde. Dafür sei die Tafel gedacht.
Für Claus war die Enthüllung der Gedenktafel in der vergangenen Woche ein guter Start für die Vorhaben, die im Jubiläumsjahr geplant sind, denn Neutsch wäre 2021 90 Jahre alt geworden. Unter anderem werde es Lesungen geben, zudem sei der Erik-Neutsch-Literaturwettbewerb für junge Autoren bis 35 Jahre ausgeschrieben, der mit immerhin 6000 Euro dotiert ist.
Für Tochter Marita, die nicht in der Stiftung mitarbeitet, aber bereits ein eigenes Buch über ihren prominenten Vater verfasst hat, ist die Tafel in der Schönebecker Blumenstraße weiter ein Ärgernis. „Natürlich hatte ich im Vorfeld die Stiftung auf die Fehler hingewiesen. Aber es blieb dabei. Der „5. Band“ sei nun schriftlich fest eingemeißelt in der Gedenktafel.
„Das tut weh, weil man hier schon wieder meinen Vater verfälscht.“