interview Der Fall Eriksen: Möglicher Liga-Ausschluss wegen eingesetztem Defibrillator - Was ein Kardiologe aus Sachsen-Anhalt dazu sagt
Dänemarks Fußballspieler Christian Eriksen kollabiert bei der Europameisterschaft mitten im Spiel - muss wiederbelebt werden. Er soll einen Defibrillator eingesetzt bekommen, der ihm im Notfall das Leben rettet. Nun soll er nie wieder mehr bei seinem Verein in Italien spielen dürfen. Die Volksstimme sprach mit einem Kardiologen aus Halle über das Thema.
Halle/Kopenhagen - Die Fußballwelt hielt für einige Minuten die Luft an, als der dänische Fußballspieler Christian Eriksen mitten im EM-Spiel zusammenbrach. Er musste Wiederbelebt werden und soll womöglich einen sogenannten ICD-Defibrillator eingesetzt bekommen. Das könnte dem 29-Jährigen das Leben retten - und den Job kosten.
Der Däne, der beim italienischen Spitzenklub Inter Mailand sein Brot verdient, dürfe dann aller vorraussicht künftig nicht mehr spielen. Es sei in Italien verboten, mit einem ICD-Defibrillator Spitzensport zu betreiben, sagte kürzlich Lucio Mos, Vorsitzender des italienischen Sportkardiologen-Verbandes, bei "Radio Punto Nouvo". Ein Nachfolger auf seiner Position wurde scheinbar bereits gefunden.
Die Volksstimme unterhielt sich darüber mit Prof. Dr. Konstantin Heinroth, Internist und Kardiologe an der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Halle.
Volksstimme: Was ist ein ICD-Defibrillator und wie funktioniert dieser?
Konstantin Heinroth: Dabei handelt es sich um einen Defibrillator, welcher unter der Haut, genauer unter dem Schlüsselbein, eingesetzt wird. Dieser ist etwas größer als ein Herzschrittmacher, funktioniert auch ähnlich wie einer. Mit dem Unterschied, dass der Defibrillator das Herz nicht nur stimulieren kann, wenn es zu langsam schlägt. Der Defibrillator gibt einen hohen Stromimpuls, wie ein Elektrosschock, ab, sobald das Herz des Trägers zu schnell schlägt, oder im schlimmsten Fall flimmert: Das Herz pumpt das Blut nicht mehr ordentlich durch den Körper. Es kann schnell zum Tod kommen.
Welche Probleme können mit einem ICD-Defibrillator auftauchen - speziell bei Leistungssportler?
Patienten, die einen Defibrillator eingesetzt bekommen, haben oft Probleme durch häufige Herzinfarkte, zum Beispiel, oder Herzrhythmusstörungen bei sehr schlechter Pumpfunktion des Herzens. Das Herz von Profisportlern ist in der Regel stark und viel dicker, der Herzmuskel ist trainiert. Vorerkrankungen oder genetisch bedingte Ursachen können trotzdem zu einem plötzlichen Herztod führen, wie der 'Hypertrophen Kardiomyopathie'; einer verdickten Wand der Herzkammer. Der plötzliche Herztod kann also auch bei Leistungssportlern auftreten, wie dem dänischen Spieler – ohne genau zu wissen, ob und welche Vorerkrankung bei dem Spieler auftraten. Das Risiko des plötzlichen Herztods bei Leistungsportlern wie z.B. Profi-Fußballspielern ist jedoch schon seit vielen Jahren bekannt.
Christian Eriksen spielt in einer Top-Liga auf höchsten Niveau. Wie konnte das passieren?
Eigentlich werden Leistungssportler selbst in niedrigen Ligen regelmäßig kardiologisch geprüft. Allein hier in Halle gibt es Leistungszentren für Sportler. Dennoch kann das Vorliegen einer genetischen Herzmuskelerkrankung durch Routineuntersuchungen nicht ausgeschlossen werden.
Kann mir ein plötzlicher Herztod auch passieren, wenn ich regelmäßig Laufen gehe und Sport treibe?
Nein, in der Regel nicht, vorausgesetzt Sie haben keine Vorerkrankungen und nicht die Absicht Leistungssport zu treiben. Das genetische hat man, oder eben nicht. Vor allem, wenn man jünger ist und kein Kettenraucher, mache ich mir da aus kardiologischer Sicht keine Sorge.
Und wenn ich älter bin und nicht zwingend gut mit meinem Körper umgegangen bin?
Für Menschen über 50 Jahren empfehle ich: Wenn sie beginnen möchten regelmäßig Sport zu treiben, sollten sie sich vorher beim Arzt durchchecken lassen und ein Belastungs- und ein normales EKG beim Hausarzt absolvieren. Und im Zweifelsfall auch ein Herzultraschall durch einen Kardiologen vornehmen lassen.
Eriksen wird vermutlich nicht mehr in Italien spielen dürfen. Welche Alternativen gebe es zu einem ICD-Defibrillator und wie sind diese einzuordnen?
Es gibt Defibrillatoren, die ausschließlich subkutan, also unter die Haut implantiert werden mit einen geringeren Infektionsrisiko, da keine elektroden im Blutstrom liegen. Weiterhin gibt es sogenannte 'Defi-Westen‘, die außerhalb des Körpers getragen werden. Oder es ist immer ein Defibrillator zu Hand, der von dritten Personen genutzt werden muss. Alles keine wirklichen Alternativen für Profisportler.
Können südeuropäische Temperaturen auch ein Grund sein, warum ein Verbot gilt?
Das hat nicht zwingend etwas damit zu tun. Einzig eine Elektrolytverschiebung kann das Risiko für Rhythmusstörungen erhöhen, wenn diese über eine lange Zeitspanne aufkommt. Heißt, am Ende muss sich der Spieler wahrscheinlich fragen, was wichtiger für ihn ist: das eigene Leben oder der Leistungssport.