Möckern l Der Islam ist in der deutschen Gesellschaft angekommen. Das gilt auch für die Produkte der Geflügel verarbeitenden Industrie.
"Deutsches Hähnchen" steht auf den eingeschweißten Geflügeltorsos, die tagtäglich den Schlachthof der Anhaltinischen Geflügelspezialitäten GmbH - besser bekannt als "Wiesenhof" - verlassen. Gleich darunter auf dem Etikett finden sich die Worte auch in Französisch, Schwedisch, Dänisch, Italienisch und - nein, nicht Englisch - sondern Arabisch. Und gleich daneben findet sich auf jedem Möckeraner Huhn ein Stempel mit der Aufschrift "Halal/Helal".
Beides steht für die Garantie, dass die Verarbeitung dieses Tieres mit den Vorschriften des Islam konform geht. "Halal" - oder "Helal", wie es in der Türkei heißt - bedeutet, dass das Produkt für jeden Muslim zum Verzehr geeignet ist.
Dass in Möckern (Jerichower Land) und allen anderen Schlachthöfen von Wiesenhof inzwischen islam-konform geschlachtet wird, dazu bedurfte es keiner "Islamisierung des Abendlandes". Nein, der internationale Markt hat dafür gesorgt. "Schon vor etwa zehn Jahren kamen die ersten internationalen Großkunden auf uns zu und verlangten, dass wir halal-konforme Produkte anbieten", sagt Michael Schönewolf, Geschäftsführer des Wiesenhof-Schlachthofes in Möckern.
Große Fastfood-Ketten im europäischen Ausland und in Übersee wollen ihre Produkte schließlich auch Muslimen - den Anhängern der weltweit zweitgrößten Religion - schmackhaft machen. Doch für Muslime gelten bei Lebensmitteln besondere Regeln. In der Lehre des Islam stellt das Konzept des Erlaubten (halal) und des Verbotenen (haram) eine zentrale Struktur dar. Auch im Bereich der Ernährung spielt dies eine wichtige Rolle. Der Islam verlangt, dass Muslime sich an bestimmte Speise-, Trink- und Schlachtvorschriften halten.
Das bedeutet unter anderem: Die Schlachtungen müssen durch muslimische Schlachter mit einem speziellen Schnitt durchgeführt werden. Dabei sind Betäubungsmethoden anzuwenden, um die Tiere vor Schmerzen zu schützen.
Zu den Richtlinien eines halal-konformen Schlachtvorganges gehört auch, dass bei jedem einzelnen Tier der Name Allahs erwähnt wird. Im Rahmen der Massentierproduktion reicht es nach Aussagen diverser islamischer Zertifizierungsstellen aber aus, beim Starten der maschinellen Halal-Schlachtung von Geflügel, den Namen Allahs anzurufen.
"Der Startschalter der maschinellen Halal-Schlachtung darf bei jedem Neustart, auch nach kurzen Pausen, nur von den muslimischen Mitarbeitern getätigt werden", heißt es in den Vorschriften des Europäischen Zertifizierungsinstitutes (EHZ). "Dabei muss der Name Allahs vom zuständigen muslimischen Mitarbeiter wiederholt werden. Die Tiere, die der maschinellen Halal-Schlachtung entkommen sind, müssen per Hand von Muslimen nachgeschlachtet werden. Hierbei muss für jedes Tier Allah angerufen werden."
Im Schlachthof Möckern sind dafür insgesamt sechs muslimische Mitarbeiter angestellt. Je drei besetzen eine Schicht, sagt Michael Schönewolf. Entsprechend den Vorgaben der Zertifizierungsstelle SGS Control Co, welche die Wiesenhof-Unternehmen betreut, müssen die Schlachtanlagen nach Mekka ausgerichtet sein. "In Möckern mussten wir da nicht viel ändern. In anderen Schlachthöfen wurde aber tatsächlich die Schlachtlinie dafür umgebaut", so Schönewolf.
Die Zertifizierung der Schlachtbetriebe muss jährlich erneuert werden. In Möckern wurde das Zertifikat erst im Januar wieder verlängert. Zu dem offiziell angemeldeten jährlichen Audit kommen weitere, bis zu vier unangemeldete Kontrollen im Jahr, bei denen die Prüfer im Schlachtbetrieb auch DNA-Stichproben nehmen und die Geflügelprodukte auf Spuren von Alkohol oder Schweinefleisch untersuchen - beides ist schließlich "haram". Derzeit ist die Anhaltinische Geflügelspezialitäten GmbH dabei, eine zusätzliche Zertifizierung für Malaysia zu erreichen. Eine Delegation aus dem asiatischen Land wird demnächst in Möckern erwartet.
Insgesamt werden 160000 Hähnchen täglich in Möckern verarbeitet. 375 Mitarbeiter schuften dafür im Zwei-Schicht-Betrieb. Weitere 150 Beschäftigte zählt der angegliederte Geflügelhof. Der Exportanteil des zur PHW-Gruppe gehörenden Geflügelverarbeiters liegt bei etwa 20 Prozent. Die Marke "Wiesenhof" findet sowohl auf dem deutschen Markt als auch auf den Märkten im Mittleren Osten Abnehmer. In Möckern geschlachtete Hühner werden in die Arabischen Emirate, nach Saudi Arabien oder in den Oman exportiert.
Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es in einem Supermarkt in Dubai "Wiesenhof-Goldbroiler" zu kaufen gibt, bestätigt Michael Schönewolf. Und damit ist klar: Der Goldbroiler ist längst ein Teil des Islam geworden.