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Zahl der Raubtiere nimmt immer weiter zu / Schäfer haben Angst um ihre Herden Der Wolf auf dem Vormarsch

Immer mehr Wölfe bevölkern Sachsen-Anhalt. Seit 2008 hat sich die Zahl
der Rudel vervierfacht. Um Schafherden vor ihnen zu schützen, fördert
das Land jetzt Elektrozäune und Herdenhunde. Bei Schäfern geht trotzdem
die Angst um.

Von Elisa Sowieja 10.09.2013, 03:13

Magdeburg l Vor fünf Jahren wurden im Jerichower Land Hinweise auf das erste sachsen-anhaltische Wolfsrudel entdeckt. Mittlerweile haben sich hierzulande vier Familien angesiedelt, die sich fleißig vermehren - im Schnitt zeugt ein Paar fünf Welpen pro Jahr. Der Nachwuchs verlässt zwar nach spätestens zwei Jahren das Elternrevier, manchmal zieht er aber nicht weit weg. Derzeit gibt es im Land geschätzt 30 Eltern und Junge.

Schäfer sind vom Familienglück der Wölfe gar nicht entzückt. Denn ihr Kapital machen sich die Tiere gern zum Imbiss. Um Halter bei der Abwehr zu unterstützen, schießt das Land jetzt 60 Prozent der Kosten für neuartige Elektrozäune dazu. Dabei handelt es sich um 90 Zentimeter hohe Plastiknetze, die mit Metallfäden durchzogen sind. An den Netzen hängen Flatterbänder, deren Geräusch zusätzlich abschrecken soll. Kostenpunkt: rund zwei Euro pro Meter Zaun. Auch für Herdenhunde gibt es einen Zuschuss. Das Konzept stammt aus Sachsen.

Der Landesschafzuchtverband ist zwar erfreut über die Hilfe vom Land. "Das Problem wird sich dadurch aber nicht erledigen", sagt Vorsitzender Hans-Jörg Rösler. Denn die Schafe könnten die Zäune in Panik einrennen. "Meine Kollegen und ich haben große Angst", sagt ein Schäfer aus der Nähe von Zerbst. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Wölfe kommen." Von den Zäunen hält er nichts - Wölfe seien in der Lage, hinüberzuspringen. Auch Herdenhunde findet er nicht sinnvoll. "Sie können auch Hunde oder sogar Menschen anfallen, wenn sie die Herde in Gefahr sehen." Ein Schäfer aus dem Landkreis Wittenberg hat es erst vor anderthalb Monaten erwischt: Bei drei Angriffen wurden zehn Schafe getötet. Er ist sich sicher, dass es ein Wolf war - darauf wiesen Bisse in die Kehle hin. Nun hat er Angst, dass die Tiere wiederkommen.

Beim Land hat er Antrag auf Entschädigung gestellt. Zehnmal wurden Schäfern bisher Kosten für getötete Tiere erstattet, die Zahl der Angriffe hält sich also in Grenzen. Die Auszahlungssumme - bisher insgesamt 5300 Euro - ist Schäfern aber zu gering. Demnach geht schon die Neuanschaffung eines Zuchtbocks schnell in die Tausende Euro. Sowohl der Schäfer aus dem Kreis Wittenberg als auch jener aus der Nähe von Zerbst würden es gern sehen, wenn die Tiere geschossen werden dürften. Der Landesjagdverband gibt sich hier diplomatisch. Der Abschuss ist demzufolge zurzeit kein Thema, auch wenn man die Entwicklung kritisch beobachte. Man arbeite sogar mit dem Land zusammen. Hört man in die Jägerschaft hinein, ist der Ton allerdings rauher. "Wölfe im Tierpark sind ok, aber sie gehören nicht in die freie Wildbahn", sagt einer aus dem Jerichower Land. "Ich habe von etlichen gehört, dass die Tiere ihnen das letzte Wild wegnehmen. Zwei haben mir sogar gesagt, dass sie mit der Jagd aufhören wollen, weil sie durch die Wölfe zu teuer geworden ist."