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Ermittlungen gegen CDU-Mitglieder, Unternehmer und Mitarbeiter von IHK und Ministerium Dessauer Filz sahnte Millionen ab

Von Olaf Jahn und Mathew D. Rose 23.06.2012, 03:17

Vier Jahre nachdem Vorwürfe wegen Fördermittelbetrugs gegen einen IHK-Mitarbeiter und Firmen in Dessau-Roßlau erhoben wurden, richtet sich der Fokus auf die Dessauer CDU. Nach Recherchen soll die Partei von den Geldern profitiert haben.

Dessau/Magdeburg (dapd) l Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der ehemalige CDU-Ortsverbandsvorsitzende von Dessau-Mitte, Dietmar Baumung. Er war Regionalbereichsleiter beim IHK-Bildungszentrum Halle-Dessau und soll Firmen nach Zeugenaussagen zu unsauberen Geschäften animiert haben: Sie sollten mit seiner Hilfe über die IHK staatliche Fördermittel für Bildungsmaßnahmen beantragen. Die Weiterbildungskurse für Arbeitnehmer müssten in Wirklichkeit gar nicht oder nur teilweise stattfinden - die Subventionen flössen trotzdem.

Mit diesem Dreh sollen Ermittlungen zufolge zwischen 2006 und 2008 Millionen Euro rechtswidrig an Firmen geflossen sein. Ein Teil wurde abgezweigt: auch für den CDU-Kreisverband Dessau-Roßlau 6000 Euro, der ansonsten kaum Spenden erhält.

Die Machenschaften in der IHK flogen auf, als die Dessauer IHK-Geschäftsführerin Bärbel Schärff im Sommer 2008 Verdacht schöpfte und den Ex-Kriminalbeamten Burker-Wieland Jüngling als externen Emittler engagierte. Binnen zweier Monate stieß der auf mehr als eine Million Euro unrechtmäßig an beteiligte Firmen gezahlte Gelder. Nach Jünglings Bericht feuerte die IHK ihren Mitarbeiter Baumung und erstattete Strafanzeige. Die Staatsanwaltschaft Halle beziffert den mutmaßlichen Schaden heute auf mehr als vier Millionen Euro.

Angebliche Teilnehmer bestätigten: "Haben Kurse nicht besucht."

Pikant für die CDU: Etliche der beteiligten Akteure sind Parteimitglieder. Neben Baumung auch der Ministerialbeamte Michael S. sowie mindestens zwei der beteiligten Unternehmer: der Baustoffunternehmer Hans-Werner Pohl, damals CDU-Fraktionschef im Stadtrat Dessau-Roßlau, und der Betonunternehmer Torsten Fenger, ehemals CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Kemberg (Landreis Wittenberg). Wie systematisch die Akteure vorgingen, zeigt beispielhaft der Fall der IFP Gesellschaft für Fortbildung und innovative Produktentwicklung mbH in Leipzig. Die IFP hatte offiziell ein Steuerberater von Pohl gegründet. Gesellschafter im Hintergrund waren Pohl, Fenger und Baumung. Über diese Konstruktion konnten die drei Christdemokraten in großem Stil öffentliche Gelder für Bildungsmaßnahmen absahnen.

Ein konkretes Beispiel dafür war die 2005 beantragte "Fördermaßnahme Qu1164605" mitsamt einem Anschlussprojekt. Dabei ging es um nahezu 450 000 Euro an Hilfen für Weiterbildungen für Mitarbeiter der Pohl-Firma STEWAK Haus- und Immobilienverwaltung. Bildungsträger sollte die IHK sein. Die vergab die Dozentenaufträge weiter an Firmen wie die IFP, die Geschäftsleuten aus dem verdächtigen Netzwerk gehörten. Die Kurse haben dort jedoch nicht oder nicht im abgerechneten Umfang stattgefunden. Etliche angebliche Teilnehmer haben Ermittlern inzwischen bestätigt, dass sie an den Kursen nicht teilgenommen haben. Fördermittel wurden trotzdem kassiert.

Von Deals des Netzwerks soll, so der Verdacht der Ermittler, nicht nur Baumung profitiert haben. Auch an die Firmen Pohls und Fengers sowie an Familienangehörige Fengers sollen demnach erhebliche Geldsummen geflossen sein. Pohl äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen. Fenger schrieb, es werde "auch gegen meine Person ermittelt, was mich sehr überrascht". Weiter äußerte er sich nicht.

Beschuldigter drohte: "Fliege ich auf, gehen allen anderen mit hoch."

Torsten Fenger wiederum zahlte auch an den CDU-Kreisverband Dessau-Roßlau: in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt 2500 Euro. Zwei weitere Firmen, gegen die ermittelt wird, ließen dem CDU-Kreisverband ebenfalls Geld zukommen.

Auch soll Baumung als IHK-Mitarbeiter bei Firmen um Spenden für den CDU-Kreisverband geworben haben.

Für die Ermittler ebenso interessant sind in dem Fall Zahlungen, die für den Beamten Michael S. vorgesehen waren. S., erst im Landesverwaltungsamt tätig, seit 2004 im Wirtschaftsministerium, wusste, wann es zu welchen Bedingungen Subventionen gab. Fenger, Pohl und andere Unternehmer beantragten Gelder, Baumung beriet sie dabei.

Und die Hauptakteure kooperierten auch in anderem Zusammenhang: im Fußballclub Dessau 05, der über Sponsoring ebenfalls von Zahlungen aus dem Netzwerk profitierte. Dort war Pohl Präsident, Baumung im Vorstand, Fenger war Wirtschaftsvorstand und Hauptsponsor.

Einen Hinweis darauf, wie das abgezweigte Fördergeld verteilt wurde, gibt nach Ansicht eines Ermittlers eine handschriftliche Notiz Baumungs, die dapd in Kopie vorliegt. Dabei wird im Zusammenhang mit einem mit 259 000 Euro geförderten Projekt des Keksherstellers Pauly Biskuit festgehalten: "25 000 Euro Sponsoring. 6000 Euro S. (Name des Beamten ausgeschrieben, d.R.)". Der Beschuldigte S. sagte, dass er sich zu dem Komplex nicht äußern wolle, da es dabei um dienstliche Belange gehe.

Auf Anfrage meldete sich Baumung telefonisch und teilte mit, dass auch er sich zu dem Fall nicht äußern wolle, solange die Staatsanwaltschaft nicht mit ihm gesprochen habe. Er lehnte trotz eines konkreten Vorhalts auch ab, sich zu einer Begebenheit zu äußern, die Burker-Wieland Jüngling schilderte. Danach trafen sich Baumung und Jüngling im September 2009 in einem Restaurant in Dessau.

Jüngling erinnert sich an das Gespräch genau: "Herr Baumung sagte, er wisse, dass ich von der IHK den Auftrag erhalten hätte, gegen ihn zu ermitteln. Er würde mir das Doppelte zahlen, wenn ich die Ermittlungen einstellen würde. Und er sagte: Wenn ich auffliege, gehen alle anderen mit hoch."