Kandidat für den Magdeburger des Jahres: Torsten Olle, Pädagoge, Lyriker und Literaturförderer - der Mann hinter den Kulissen "Die Magdeburger Literatur bietet so viel Wunderbares"
Zum Jahresende sucht die Volksstimme traditionell den Magdeburger des Jahres. Zwölf Kandidaten stehen 2012 zur Wahl, die wir in Porträts näher vorstellen wollen. Heute: Torsten Olle, der Mann hinten den Kulissen der Magdeburger Literatur.
"Lesen, ein Buch lesen - das ist wie das Erforschen eines Universums" (Marguerite Duras).
Wer sich in Magdeburg mit Literatur beschäftigt, kommt an Torsten Olle kaum vorbei. Seit rund 20 Jahren engagiert er sich für die Literatur in der Stadt, betreut Texte und Autoren, organisiert Lesungen, gibt Tipps für Veröffentlichungen, Verlage, Fördergelder. Er ist der Vorsitzende des Fördervereins der Schriftsteller e.V., Mitglied im Literaturrat Sachsen-Anhalt, Leiter der Schreibwerkstatt des Friedrich-Bödecker-Kreises und Redaktionsmitglied der Literaturzeitschrift "Ort der Augen", um nur einige Beispiele zu nennen. Allein in diesem Jahr gab es 60 Lesungen, die von ihm betreut worden sind. Weil ihm die Autoren wichtig sind, ihre Kreativität den Lesern das Leben bereichert. "Die Magdeburger Literatur hat viel Wunderbares zu bieten."
Wer Torsten Olle kennt, lobt seine hohe soziale Kompetenz, sein Engagement, seine Selbstlosigkeit dabei. Dass er kulturelle wie soziale Gedanken auch der nächsten Generation nahebringt. An der Grundschule Klosterwuhne, deren Leiter er seit 2008 ist, beispielsweise. Dort gibt es Literaturwochen, unter seiner Regie wurde aus dem Zimmerchen mit Büchern eine größere, schöne Bibliothek (bei der übrigens die Schüler mitbestimmen, welche Literatur sie enthält), es gibt die Wettbewerbe um den Lesekönig und das Projekt der Schulschreiber mit Autoren und eigenen Geschichten in Buchveröffentlichungen. Unterstützt wird der Schulleiter dabei von seinem Kollegium, wie er im Gespräch immer wieder betont, und von Autoren wie Jürgen Jankofsky, Ludwig Schumann, Paul Dörfler und Susanne Laschütza.
"Die Kinder sind so stolz, so voller Begeisterung dabei, wenn sie ihre Geschichten schreiben und diese gedruckt werden", freut sich der Schulleiter. Dieses Strahlen in den Augen spornt ihn immer wieder an.
Doch für Projekte braucht es auch Geld. Und das ist - wie in vielen Bereichen - knapp. Also sucht Olle andere Wege, sucht Sponsoren, Spenden für den Schulförderverein. Und statt in einer Druckerei wird das Schülergeschichtenbuch dann eben im Eigendruck am Computer hergestellt. Eins dieser Art ist gerade erschienen. Es trägt den Titel "Retsolk Enhuw. Zweites Buch des Geheimen Bundes der Schulschreiber". Die Kinder zwinkern sich zu, wenn sie diesen Namen sagen. Wer wohl herausfindet, was er bedeutet?
In den Vordergrund drängt es den studierten Literaten und Pädagogen nicht. Auch als er von seiner Nominierung für den Magdeburger des Jahres erfährt, wehrt er ab: "Ich bin doch nur der im Hintergrund, der etwas anschiebt", sagt Torsten Olle. "Ist das Wirken von Dr. Gosch oder Frau Kollwitz nicht wichtiger?"
Doch woher kommen solche Menschen? Wieso tun einige mehr als andere? Woher kommt das Engagement, nicht nur sich zu sehen und sich für andere einzusetzen? Oftmals ist es ihre Kindheit, die sie prägt, sind es die Werte, die ihnen in den ersten Jahren ihres Lebens vermittelt werden. Werte und Grundlage für Kreativität und Engagement - das also, was Torsten Olle vermittelt. Als Lehrer und als Literat.
Es Kindern nahezubringen, liegt ihm am Herzen. Und zwar unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern. Bildung muss für alle offen sein, sagt er, alle Kinder sind wissenshungrig. "Kinder sind so voller Kreativität, sie brauchen nur einen Anstupser, dann blühen sie auf." Mit der Kreativität werden sie selbstbewusster, vertrauen auf ihr Können. Die Literatur hilft, Bereiche ihrer Persönlichkeit zu entdecken, die ihnen sonst verborgen bleiben.
Auch Torsten Olle ist wissbegierig, orientiert sich nach vorn. "Literatur sucht sich immer neue Wege", sagt er und ist fasziniert von Poetry-Slam, bei dem er bereits in der Jury saß. Auch dass Magdeburg im nächsten Jahr einen Stadtschreiber bekommt, freut ihn. "Wenn wir Kulturhauptstadt werden wollen, gehört das wesentlich dazu." Bei der Auswahl von Bernd Wagner aus rund 80 Bewerbern für diese Funktion hat Olle in der Jury mitgewirkt.
Das Wirken im Hintergrund macht ihm Spaß und er tut es mit Leidenschaft. Die blitzt auch hervor, wenn Torsten Olle selbst schreibt. Als er anlässlich 20 Jahre Mauerfall seine "Wendebriefe" in einer Lesung vortrug, schmolzen vor allem die Frauenherzen dahin. Diese Briefe hatte er damals von der Armee an seine Liebste geschrieben, die danach Frau Olle wurde.
Das Schreiben ist für den Lyriker mit der Zeit jedoch in den Hintergrund getreten. "Die Schule fordert mich ganz", betont er. Für den Ausgleich widmet er sich denjenigen, die neben ihrer Arbeit kreativ tätig sind und schreiben. Wie z.B. Wahid Nader, der zur Schreibwerkstatt gehört und bei der Leipziger Buchmesse 2012 für seine Arbeit ausgezeichnet wurde.
Und noch etwas verdrängt Olles Zurückhaltung: Bob Dylan, Musiker und genialer Lyriker. Mit "On the road" hat Olle eine literarisch-musikalische Hommage verfasst und mit Tom Posur erfolgreich auf die Bühne gebracht.
Dylan, ein Visionär. Das ist auch Olle, auf seine Art. Im Engagement für die Literatur, der Gegenwart und der Zukunft, für die Universen, die sich von Magdeburg aus den Lesern eröffnen.
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