Bahnverkehr Doppeldecker ohne Frühstück
Als schön, modern und leise lobt der Fahrgastverband die neuen Fernzüge. Allerdings gibt es kein Bistro.
Magdeburg l Am 13. Dezember beginnt bei der Deutschen Bahn ein neuer Zeitabschnitt: Erstmals setzt der Konzern im Fernreiseverkehr Doppelstockzüge ein. Sie gehören zur neuen Generation von Intercity-Zügen, kurz: Intercity 2. Sachsen-Anhalts Reisende gehören zu den ersten, die den Doppeldecker testen können: Die neuen Züge starten ihren regelmäßigen Dienst auf der Linie Leipzig-Bremen/Norddeich – mit Halt in Halle, Köthen und Magdeburg. In der Landeshauptstadt wird bereits am 19. November ein Intercity 2 auf „Magdeburger Börde“ getauft.
Deutsche Bahnfahrer kennen die Doppelstöcker von den Regionalzügen. Im Fernbahnverkehr spielten sie hier – anders als etwa in Frankreich oder der Schweiz – bislang keine Rolle. Die Deutsche Bahn AG hatte sich Mitte der 90er Jahre mit ihren Fernzügen auf die großen Zentren konzentriert. Der Verlust vieler Kunden an den Fernbus zwang zum Kurswechsel. Im März 2015 blies die Bahn AG zur Offensive: In den kommenden 15 Jahren sollen nahezu alle Städte ab 100 000 Einwohnern mit Fernzügen bedient werden. Das Premiumprodukt ICE fährt zu den Metropolen, der kleinere Bruder Intercity ist der Zubringer aus der Fläche. Damit verbunden ist ein hoher Bedarf an neuen Fahrzeugen. Am günstigsten zu beschaffen waren aus Sicht der Bahn die Doppeldecker vom Hersteller Bombardier. Die Kilometer-Kosten liegen bei diesem Fahrzeugtyp bei 18 Euro; bei den alten Reisezügen sind es 25 Euro.
Nun versucht die Bahn, aus der Not an neuen Fahrzeugen eine Tugend zu machen: Die eigentlich für den Nahverkehr konzipierten Waggons werden aufgerüstet: Schallschluckende Teppichböden sollen für mehr Ruhe sorgen; für Familien gibt es eigene Reiseabteile mit mehr Platz für Taschen, Kinderwagen, Wickeltisch und Krabbelecke. Verbessert wird auch der Empfang fürs Mobiltelefon.
Gewöhnungsbedürftig ist der Gepäckverstau: Baulich bedingt haben Doppelstöcker in der klassischen Ablage über dem Kopf der Reisenden nur Platz für eine Aktentasche. Koffer werden daher in ein eigens dafür vorgesehenes Gepäckregal gestellt. In etlichen ICE- und IC-Waggons gibt es diese Staufächer auch heute schon – allerdings am Ende eines Waggons. Da hat man seine Taschen nicht mehr im Blick – das ist nicht jedermanns Sache. Beim Doppeldecker-Intercity sind diese Staufächer nun in die Mitte des Wagens und damit näher an die Passagiere gerückt. „Das ist deutlich besser gelöst als in den alten Waggons“, sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender vom Fahrgastverband „Pro Bahn“. Ist der Doppelstöcker fernreisetauglich? „Das sind vernünftige, neue Fahrzeuge – und sehr leise“, berichtet Naumann. Ob der Gepäckplatz an nachfragestarken Wochenenden ausreicht, müsse man sehen.
Größtes Minus: Es gibt kein Bistro. Ein ordentliches Frühstück fällt also flach. „Für die Fahrt von Magdeburg nach Leipzig sicherlich halb so schlimm – aber für eine Familie, die bis zur Nordsee reist, ist das ein Manko. Ein Automat wäre das Mindeste“, findet Naumann. In der Konzernzentrale in Berlin kennt man den wunden Punkt. Doch Bistroeinbau kostet Geld und Zeit, daher sollen die ersten Intercity-2-Züge mit einem überschaubaren Angebot starten. Es gibt Kaffee, Wasser, Saft und kleine Snacks, die der Schaffner am Platz anbietet. „Wir wollen sehen, wie die Kundenreaktionen sind“, sagt eine Sprecherin. Möglicherweise wird später nachgerüstet.
Magdeburg erhält nicht nur neue Wagen, sondern auch wieder IC-Fernzüge nach Berlin, Schwerin und Cottbus. Diese kommen aber erst in sieben Jahren. Wenn der neue Bahnknoten fertig ist – und wenn genügend neue Doppelstöcker zur Verfügung stehen.