Sturmschäden Düstere Wetterprognosen nehmen zu
Eine Woche nach Tief „Paul“ dauern die Aufräumarbeiten an. Doch was war das für ein Unwetter, das da über Sachsen-Anhalt hinwegfegte?
Magdeburg l Thomas Wenzel ist noch immer fassungslos. Das Sturmtief „Paul“ am vergangenen Donnerstag hat eine Spur der Verwüstung im Dorf Töppel hinterlassen. An einem Giebel steckten ein Dachbalken und Asbestsplitter wie Geschosse in der Fassade. Sieben Grundstücke des Örtchens bei Zerbst wurden teils schwer beschädigt.
Dabei hat der Sturm eine charakteristische Schneise gezogen. 100 Meter breit, quer durch den Ort. „Das war sicher ein Tornado“, glaubt der Ortsbürgermeister. Der Sturm sei schwerer gewesen als der Orkan Kyrill im Jahr 2007. „So etwas hatten wir hier noch nie.“
Nicht nur in Töppel gab es schwerste Schäden. Von einer Schneise der Verwüstung berichtet auch Stefanie Warnstedt, Leiterin des Magdeburger Neustädter Friedhofs. Das Unwetter hat hier 100 Jahre alte Bäume wie Spielzeug aus dem Erdreich gedreht. „Das hat seit der Weihung des Friedhofs 1827 noch kein Sturm geschafft“, sagt Warnstedt. Eine Woche nach dem Unwetter ist die Verunsicherung vielerorts weiter groß. Was war das für ein Unwetter, das da übers Land hinwegzog? Wie groß sind die Schäden? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas wieder passiert? Ein Überblick über das, was bislang bekannt ist:
Die Schwere: „Das Ereignis war schon außergewöhnlich“, teilt der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit. Ereignisse wie dieses treten örtlich nur alle fünf bis zehn Jahre auf. Radarmessungen hätten großräumige Drehbewegungen der Gewitterwolken gezeigt. Ein Tornado sei damit möglich. Nachgewiesen hat der DWD eine Windhose allerdings nicht. Für wahrscheinlicher hält die Behörde eine starke Böenfront. Die höchsten Windgeschwindigkeiten wurden mit 96 Kilometern pro Stunde in Ummendorf in der Börde gemessen. In Magdeburg registrierten die Geräte 91 Kilometer pro Stunde.
Die Schäden: Anders als beim Wintersturm Kyrill war das Unwetter kein flächenhaftes Phänomen, es dauerte außerdem weniger lange. Dafür gab es lokale Schwerpunkte mit teils massiven Schäden. Die meisten entstanden durch Sturm und Hagel.
Allein bei den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA) gingen bis Dienstagmittag mehr als 1000 Meldungen über Gebäudeschäden ein. Hinzu kommen 500 Schäden an Pkw, sagt ÖSA-Sprecherin Ute Semkat.
Betroffen waren bei den Pkw-Schäden vor allem Magdeburg und Halberstadt. Allein in drei Autohäusern zwischen Wolmirstedt und Halberstadt seien 160 Autos beschädigt worden. Insgesamt geht die ÖSA derzeit von einem Schadensaufkommen von zwei Millionen Euro aus. Bei Kyrill waren es 2007 allerdings 13 Millionen.
In Magdeburg hat die Gewitterfront besonders schwer gewütet. „‚Paul‘ hat von Nord nach Nordost eine Schneise der Verwüstung geschlagen“, sagt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra. Im Rotehornpark und im Herrenkrug wurden zahlreiche Bäume entwurzelt oder geschädigt, ebenso im Stadtpark oder im Vogelsangpark.
Auch den Wäldern des Landes hat das Unwetter zugesetzt. Von Windbruch betrroffen waren vor allem die Altmark, die Börde sowie der Fläming. Bernd Dost, Direktor des Landesforstbetriebs, geht auch für den Fläming von einem Tornado aus. „Dort müssen wir bis zu zehn Hektar aufforsten“, sagt er. Insgesamt hat das Unwetter im Landeswald für Verluste von rund 40.000 Festmetern Holz gesorgt. Bei Kyrill waren es 450.000. Das entsprach dem Einschlag eines ganzes Jahres. „Diesmal sind wir mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Dost.
Der Ausblick: Muss Sachsen-Anhalt sich künftig auf eine Häufung von Unwettern wie dem am Donnerstag einstellen? „Das ist möglich“, sagt Peter Hoffmann, Experte beim Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam.
Wetterlagen, die Starkregen einerseits sowie Trockenheit andererseits begünstigen, nähmen zu und wechselten einander immer häufiger direkt ab. Warme Südströmungen stoßen dabei auf kalte Luft aus dem Norden. Die Folge können schwere Gewitter sein, mitunter auch mit Tornados.
Aufräumarbeiten: Im Land gehen die Aufräumarbeiten unterdessen weiter. Bereits seit dem Wochenende befreien die Mitarbeiter des Magdeburger Zoos Wege von Bäumen und Ästen. Am Sonnabend, 1. Juli, wird die Anlage voraussichtlich wieder geöffnet, sagt Sprecherin Regina Jembere.
Nicht überall allerdings wird es so schnell gehen. Für Teile der Parkanlagen in Magdeburg rechnet Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra mit Aufräumarbeiten noch über Wochen. Thomas Wenzel blickt unterdessen sorgenvoll auf den Wetterbericht. „‚Paul‘ hat da schon etwas verändert“, sagt er. Am Dienstagnachmittag hat der Sturmjäger Torsten Stein die Schäden in Töppel mit einer Drohne untersucht. Thomas Wenzel sagt: „Er ist sich sicher, es war ein Tornado.“