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Prüfbericht Ein gut bedachter Gutachter

Der Rechnungshof rügt die freihändige Auftragsvergabe an einen Parteifreund von Ex-Finanzminister Bullerjahn.

Von Michael Bock 02.07.2016, 01:01

Magdeburg l Das Finanzministerium hat unter Ex-Minister Jens Bullerjahn (SPD) zwischen 2010 und 2013 Gutachten in Höhe von insgesamt rund 300 000 Euro an den ehemaligen rheinland-pfälzischen Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) vergeben – und das fast immer ohne Ausschreibung.Im Prüfbericht der obersten Kassenprüfer zu Beraterverträgen, Gutachten und Studien werden nach Volksstimme-Informationen auch die Aufträge an die „Deubel Government Consulting GmbH“ unter die Lupe genommen. Geschäftsführer ist Ingolf Deubel. Bei der Vergabe stellten die Prüfer teils erhebliche Mängel fest.

Der Prüfbericht wird derzeit unter Verschluss gehalten. Die Kassenkontrolleure hatten 360 Beraterverträge, Studien und Gutachten mit einem Gesamtvolumen von 24,9 Millionen Euro geprüft. Ergebnis: Etwa 70 Prozent der Gutachter- und Beratungsleistungen wurden freihändig und oft am Parlament vorbei vergeben.

Nun kommen weitere Details ans Licht. Das Finanzministerium bestätigte auf Volksstimme-Anfrage, dass zwischen 2010 und 2013 Aufträge in Höhe von insgesamt 309 608,25 Euro an Ingolf Deubel gingen – davon wurden genau 292 115,25 Euro freihändig vergeben.

Schon beim ersten Deubel-Gutachten (Kosten: 79 968 Euro) im Jahr 2010 hatte es im Landtag Kritik an der Auftragsvergabe gegeben. Diese entzündete sich allerdings an der Person: Deubel hatte 2009 die politische Verantwortung für die schiefgegangene Finanzierung am Nürburgring übernommen. Der SPD-Mann war als Finanzminister und Aufsichtsratschef der Nürburgring GmbH zurückgetreten.

Die FDP kritisierte, „dass wir uns von jemandem beraten lassen, der selber erhebliche Probleme im finanzpolitischen Geschäft hat“. Linke-Fraktionschef Wulf Gallert sagte seinerzeit: „Meine Skepsis rührt aus der ganzen Gutachteritis. Ich bezweifle, dass wir klüger werden.“

Doch Bullerjahn hielt an seinem Wunsch-Gutachter Deubel fest, der durchaus als anerkannter Finanzwissenschaftler gilt. Denn er brauchte die Deubel-Expertisen, um seinen rigiden finanzpolitischen Kurs zu rechtfertigen. Deubel listete Einsparpotenziale in fast allen Bereichen auf – so auch bei den Lehrern und bei der Polizei.

Ein späteres Gutachten Deubels zum kommunalen Finanzausgleich (2011) war vor allem bei der Union umstritten. Denn die CDU-Fraktion hatte bereits selbst eine etwa 100 000 Euro teure Expertise zum selben Thema anfertigen lassen. Es sei „kein großer Erkenntnisgewinn mehr zu erwarten, der uns auf neue Pfade bringt“, sagte der damalige Fraktionschef und heutige Finanzminister An­dré Schröder. Einige in der CDU störten sich am parteipolitischen Hintergrund Deubels und an der Fokussierung auf ihn.

Doch das Gutachten wurde erstellt – alles in allem für 172 877,25 Euro. Und wieder freihändig vergeben. Laut Finanzministerium gab es lediglich ein „formloses Verfahren“. Ein solches bedarf als Ausnahmefall einer besonderen Begründung. Der damalige Finanzstaatssekretär Heiko Geue (SPD) unterschrieb den Vertrag.

Der neue Finanzminister Schröder prüft jetzt den vom Rechnungshof kritisierten Geschäftsbesorgungsvertrag des Landes mit der Investitionsbank (IB). Dieser hat eine Laufzeit bis 2020 und ein Volumen von 6,3 Millionen Euro. Die IB soll eine umfassende wissenschaftliche Begleitung des Landes unter Einbeziehung Dritter sichern. Nach der Prüfung werde entschieden, „ob und in welchem Umfang der Vertrag fortgeführt wird“, sagte ein Ministeriumssprecher. Unterschrieben hatte den Vertrag Finanz-Staatssekretär Jörg Felgner (SPD). Er ist jetzt Wirtschaftsminister.