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Landesregierung Eine rote Linie

Uneinigkeit im Umgang mit Götz Kubitschek in der Landesregierung. Reiner Haseloff (CDU) spricht über eine umstrittene Podiumsdiskussion.

Von Michael Bock 03.12.2016, 00:01

Herr Ministerpräsident, die Absage der Diskussion mit dem Rechtsideologen Götz Kubitschek schlägt hohe Wellen. Wie bewerten Sie die Situation?

Reiner Haseloff: Die Geschäftsordnung der Landesregierung sieht vor, dass Minister Termine von großer Bedeutsamkeit, die die gesamte politische Richtung einer Regierung betreffen, mit dem Ministerpräsidenten abstimmen. Das war so ein Termin, doch die Information ist nicht erfolgt.

Der Termin für die Podiumsdiskussion im Theater Magdeburg ist im Innenministerium bereits im Oktober eingegangen. Wann und wie haben Sie davon erfahren?

Am Dienstagabend habe ich die ersten Informationen über den Kurznachrichtendienst Twitter bekommen. Da haben bei mir sofort die Alarmsignale geläutet. Schon da war mir klar: Dieser Termin kann in diesem verengten Format nicht mit einem Mitglied der Landesregierung stattfinden. Und schon gar nicht mit dem obersten Dienstherrn des Verfassungsschutzes.

Doch erst am späten Mittwochnachmittag haben Sie die Teilnahme des Innenministers abgesagt. Da hatte es bereits heftige Reaktionen bei SPD, Grünen und Linken gegeben, die genau das forderten. Und zur selben Zeit bekam Stahlknecht Rückendeckung für seine Teilnahme, etwa von CDU-Generalsekretär Schulze. Warum haben Sie so spät reagiert?

Ich habe den Innenminister erst am Nachmittag erreicht und dann zweimal mit ihm telefoniert und die Gesamtumstände mit ihm erörtert. Zu dieser Zeit hatte die Geschichte durch die schnellen sozialen Medien allerdings bereits eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Aber, ganz klar: Ich stehe zu meiner Entscheidung, die für mich schon am Vorabend feststand. Da gibt es für mich kein Wackeln. Für meine Entscheidung hätte es jedenfalls keiner Reaktion der Koalitionspartner bedurft.

Warum haben Sie die Reißleine gezogen?

Die Wahrnehmung eines solchen Termins wäre ein Tabubruch gewesen. Dass ein für den Schutz unserer Landesverfassung zuständiger Innenminister auf Augenhöhe diskutiert mit dem Chefideologen der Rechtsextremen in Deutschland, die zudem im Fokus des Verfassungsschutzes stehen, das geht gar nicht. Wir können, dürfen und werden nicht den Ritterschlag für einen solchen wirren rechtsextremen Ideologen geben. Darum habe ich meine Richtlinienkompetenz als Ministerpräsident wahrgenommen und letztlich im Einvernehmen mit ihm die Teilnahme des Innenministers gestoppt. Das ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Das muss jeder in der Landesregierung wissen und akzeptieren.

Innenminister Stahlknecht hat jedoch bis zuletzt erklärt, an der Diskussion teilnehmen zu wollen.

Ja, Herr Stahlknecht sah das anders, sieht es jetzt aber genauso wie ich. Er kann diese Ausein­andersetzung mit Rechtsextremen so führen. Dann aber nicht als Innenminister, der als Mitglied einer Koalitionsregierung das Land insgesamt vertritt. Hätte ich früher von dem Termin erfahren, hätte ich ihn sofort gebeten abzusagen. Herr Kubitschek ist kein kleiner unbedeutender Verleger. Er ist inzwischen der Vordenker des fanatischen Rechtsextremismus in Deutschland. Aus seinen Ideen ziehen viele, auch Verfassungsfeinde, ihren Nektar.

Wie gestört ist jetzt das Vertrauensverhältnis zu Ihrem Innenminister?

Herr Stahlknecht hat weiter mein Vertrauen als Innenminister. Er hat aus der Sache gelernt, sensibler bei ressortübergreifenden Themen vorzugehen. Seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion hätte ein fatales Zeichen gesetzt. Es besteht die Gefahr, dass wir den Rechtsextremismus so bagatellisieren und ihn sogar hoffähig machen. Wir brauchen klare Grenzen. Das gilt natürlich auch für die Abgrenzung zum Linksextremismus.

Ist jetzt die Konsequenz, dass die CDU nicht mehr mit Rechten redet?

Nein. Wir müssen und werden uns jetzt viel offensiver mit den Rechtsextremen auseinandersetzen. In diese Debatten sollen sich jedoch im ersten Schritt nicht Mitglieder der Landesregierung hineinbegeben. Diese Diskussionen müssen zunächst andere führen - die Landtagsabgeordneten oder der Generalsekretär. Aber auch für die AfD gilt, sie muss erst diskursfähig werden. Wenn, wie jetzt in Wittenberg, auf der AfD-Facebook-Seite dazu aufgerufen wird, CDU-Spitzenpolitiker in die Gaskammer zu schicken, ist die Partei von dieser Diskursfähigkeit noch weit entfernt.

In der Landes-CDU gibt es viel Kritik an Ihrem Vorgehen. Wie empfinden Sie das?

Ich bin nicht für eine Partei Ministerpräsident, sondern für das Land. Ich habe jetzt die Abläufe so geschildert, wie sie waren. Noch mal: Ich habe mit meiner Entscheidung nicht auf Druck von SPD und Grünen reagiert, sondern sie in meiner Verantwortung für das Land und seine Zukunft getroffen. Wir wollen den Rechtsextremismus klein halten und ihn nicht groß machen.

Wie groß ist der durch die aktuelle Debatte entstandene Schaden?

Das war ein – vielleicht sogar notwendiger – politischer Findungsprozess. Da kann man nicht von Schaden reden. Es wurde ein Meinungsbildungsprozess in Gang gesetzt - und der wird jetzt fortgeführt.

Wie belasten die neuerlichen Diskussionen das Koalitionsklima?

Kein Problem, die Koalition steht. Aus den Erfahrungen der letzten Tage wird die Koalition abgestimmter und gestärkter hervorgehen.