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Förderung für Dörfer EU-Millionen bleiben wegen Bürokratie liegen

Sachsen-Anhalts Dörfer haben jahrelang vom Leader-Programm der EU profitiert. Nun wird der Vorschriften-Dschungel zum Hindernis.

Von Steffen Honig 14.11.2017, 00:01

Magdeburg l Das Leader-Förderprogramm der EU trägt seit mehr als 25 Jahren dazu bei, Sachsen-Anhalts Dörfer und Kleinstädte attraktiver zu machen. Die dabei unterstützten Vereine konnten Kirchen sanieren, Kulturtreffs schaffen oder Bürgerhäuser einrichten. In der laufenden Haushaltsperiode der Europäischen Union von 2014 bis 2020 konnte sich Sachsen-Anhalt aus 100 Millionen Euro aus dem Leader-Topf inklusive der damit verbundenen Unterprogramme sichern.

Was gut klingt, hat einen Pferdefuß: Für das kommende Jahr könnte die Zahl der Förderprojekte zurückgehen, obwohl Geld für mehr Vorhaben da wäre, moniert der sachsen-anhaltische Europaabgeordnete Sven Schulze (CDU).

Er sieht den Grund für die stark abnehmende Leader-Begeisterung in der überbordenden Bürokratie. Zwei Ministerien, das für Finanzen (Minister Schröder (CDU)) und das für Landwirtschaft (Ministerin Claudia Dalbert (Grüne)) tragen die Leader-Hauptverantwortung.

Die Beantragung kann aber beim Landesverwaltungsamt, der Investitionsbank oder den Ämtern für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten (Alf) liegen – je nachdem. Das bedeutet mehr oder weniger Rennerei und Formulare für interessierte Vereine. Nur sie sind antragsberechtigt.

Schulze fordert, diesen Verwaltungswust abzubauen: „Eine Vereinfachung für Antragsteller, wenn nur ein Ministerium zuständig ist und nur eine Behörde die Anträge bearbeitet, würde Leader in Sachsen-Anhalt extrem helfen.“

Umgesetzt wird Leader in Sachsen-Anhalt durch 23 lokale Arbeitsgemeinschaften, die sich zu einem Netzwerk vereint haben. Ihr Sprecher ist seit 2003 im Auftrag des Landes Wolfgang Bock, der in Halle eine Consulting-Gesellschaft betreibt. „Leader bringt Europa bis ins letzte Dorf“, beschreibt er den Sinn des europäischen Programms. Doch die Flut der Anträge und Richtlinien lässt immer öfter Pläne platzen.

Bock nennt Beispiele: Die Tourismusregion Anhalt-Dessau-Wittenberg wollte die Einführung von Gästekarten mit Leader-Hilfe abdecken. Daraus wird aus Scheu vor dem bürokratischen Aufwand nichts. Die evangelische Kirchengemeinde einer Altmark-Kleinstadt wollte das Gotteshaus sanieren – und ist wegen der Kompliziertheit des Verfahrens zurückgetreten“, sagt Bock.

Im Finanz- und im Landwirtschaftsministerium wird die Sache entspannter gesehen. „Abarbeitungsrückstände“ gibt es für 2017 nicht, wird etwa vom Landwirtschaftsressort mitgeteilt. Die Volksstimme-Nachfrage, ob angesichts der Probleme überlegt werde, die Verantwortlichkeit zu straffen, bleibt unbeantwortet. Ändern könnten das ohnehin nur die Minister, heißt es vage aus dem Finanzministerium.

„Wie sollen wir die EU-Förderung für Sachsen-Anhalt in Brüssel sichern, wenn wir zu hören bekommen, dass wir ja nicht mal die bewilligten Mittel komplett abrufen?“, fragt CDU-Parlamentarier Schulze. „Ich empfehle meinen Kollegen im Landtag, sich dringend der Sache anzunehmen.“ Meinung