Dem Land entstand wegen Bürgschaft ein Schaden von einer Million Euro Ex-Vorstände der Schiess AG Aschersleben wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht
2004 meldete der Werkzeugmaschinenbauer Schiess AG in Aschersleben Insolvenz an. Möglicherweise viel zu spät. Deshalb stehen nun zwei ehemalige Vorstandsmitglieder wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht - und schweigen.
Magdeburg (dpa) l Zum Auftakt des Prozesses um mögliche Insolvenzverschleppung beim Werkzeugmaschinenbauer Schiess AG Aschersleben haben die beiden Angeklagten zu den Vorwürfen geschwiegen. Die Staatsanwaltschaft wirft den 75 und 49 Jahre alten Ingenieuren vor, den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt zu haben. Als Vorstandsmitglieder des Unternehmens hätten die beiden spätestens ab März 2003 gewusst, dass die Schiess AG zahlungsunfähig ist, hieß es gestern am Landgericht Magdeburg. Der jüngere Angeklagte beantragte aber erst im Juni 2004 die Insolvenz. Ein solcher Antrag muss üblicherweise binnen drei Wochen gestellt werden.
Zudem soll der 49-Jährige im März 2004 noch eine Landesbürgschaft über zwei Millionen Euro beantragt haben, um einen neuen Kredit zu erhalten. Dazu legte er laut Staatsanwaltschaft unter anderem einen vorläufigen Jahresabschluss vor, der die Situation des Unternehmens in einem deutlich besseren Licht erscheinen ließ als sie tatsächlich war. Dem Land Sachsen-Anhalt entstand ein Schaden von mehr als einer Million Euro. Der Verteidiger des 49-Jährigen betonte gestern, aus seiner Sicht gehe aus den Akten und Beweismitteln kein Hinweis auf Insolvenzverschleppung hervor.
Der Angeklagte soll auch zwischen Januar und Mai 2004 Sozialversicherungsbeiträge für damalige Mitarbeiter nicht gezahlt haben, wodurch den Sozialkassen ein Schaden von mehr 24000 Euro entstanden sein soll. Die Schiess AG hatte zum Zeitpunkt der Insolvenz 230 Mitarbeiter. Im Insolvenzantrag hieß es, der Umsatz habe 2003 bei knapp 22 Millionen Euro gelegen, 2002 bei 32 Millionen Euro. Wegen fehlender liquider Mittel konnten Kredite nicht mehr bedient werden.
Zum Prozessauftakt wurden im Gericht zahlreiche Briefwechsel mit Krankenkassen, Geschäftspartnern und einem Unternehmensberater verlesen. In den Schreiben ging es um Zahlungsrückstände der Schiess AG schon im Jahr 2003. Das Unternehmen bat darin um die Möglichkeit, in Raten zu zahlen. Es gebe Projektverzögerungen, zudem stünden Zahlungen von Kunden aus; die Schiess AG sei in einer vorübergehend schwierigen Lage.
Der Verteidiger des 49 Jahre alten Angeklagten betonte, sämtliche offenen Zahlungen aus dem Jahr 2003 seien weit vor Beginn des Insolvenzverfahrens beglichen worden. Das Argument der Staatsanwaltschaft, dass schon 2003 die Voraussetzungen für eine Insolvenz bestanden hätten, ziehe nicht.
Nach der Insolvenz übernahm ein chinesisches Unternehmen die Schiess AG mehrheitlich. Schiess ist Spezialist für die Produktion von Maschinen zur Bearbeitung großer Werkstücke. Für den Prozess sind 14 weitere Verhandlungstage bis zum 5. Juni angesetzt. Heute soll unter anderen eine Steuerberaterin befragt werden.