Aus 25 Gästen wurden 100 und aus einem Haus eine Müllhalde Facebook-Party: Schlimmer als ein Albtraum
Oebisfelde. Nach der völlig aus dem Ruder gelaufenen Party einer 15-Jährigen in Oebisfelde hat die Polizei 30 der 100 Gäste namentlich bekannt machen können. Ein Teil von ihnen richtete einen Schaden von rund 30000 Euro an. Schmuck, Fernseher, Handys und Kosmetika sind außerdem gestohlen worden.
Es sollte für Doreen Gerike und ihren Lebensgefährten ein schönes Wochenende an der Ostsee werden. Die beiden Töchter (13 und 15 Jahre) sind in dieser Zeit bei Freunden untergebracht, niemand dürfte eigentlich zu Hause sein. Eigentlich.
Denn unerlaubterweise lädt am Sonnabend die 15-jährige Tochter etwa 25 ihrer Freunde über das soziale Netzwerk Facebook zum Fußballgucken nach Hause ein. Treffpunkt ist 19.30 Uhr. Sicherheitshalber schafft das Mädchen noch die EC-Karte, einigen Schmuck und andere Wertgegenstände zum benachbarten Friseursalon der Mutter. Dann kommen die Gäste. Bis 23 Uhr bleibt alles auch im Rahmen, die geladenen Freunde benehmen sich auch nicht daneben. Das zumindest sagen Zeugen später auch der Polizei gegenüber aus. Doch es kommt noch ganz dick: Einige der geladenen Gäste laden wiederum andere ein und die schicken über Facebook weitere Einladungen an ihre Freunde. Wie bei einem Schneeballsystem, wird die Sache zu einem Selbstläufer. Das Mädchen ist sich jedenfalls sicher, über Facebook ausschließlich ihre Freunde eingeladen zu haben.
"Wir konnten uns gar nicht vorwärts bewegen, weil alles im Bier schwamm." - Doreen Gerike, Mutter der 15-Jährigen
Nach dem Fußballspiel treffen immer mehr unbekannte Gäste ein, sie kommen von allen Seiten. Teilweise sollen sie sogar aus dem rund 80 Kilometer entfernten Magdeburg angereist sein. Weil die Haustür geschlossen ist, werden die Scheiben eingeschlagen. Dann gerät alles außer Kontrolle.
Die Jugendlichen sind stark angetrunken, werfen alles auf den Boden, gegen die Wand und in den Pool. Der Fußboden schwimmt in einer Bierlache. Der Ketchup wird an den Wänden verschmiert. Einige tragen frech den Flachbildfernseher aus dem Haus. Andere durchsuchen das Schlafzimmer und dringen bis zum Dachboden vor.
Als Nachbarn gegen 2.30 Uhr die Polizei wegen des Lärms rufen und die Beamten eintreffen, ist der Spuk bereits vorbei. Unter den 25 noch anwesenden "Gästen" ist ein 14-Jähriger, der wegen einer Alkoholvergiftung noch ins Krankenhaus gebracht werden muss.
Von all dem bekommt Doreen Gerike in ihrem Feriendomizil an der Ostsee nichts mit. Erst am Sonntag meldet sich die 13-jährige Tochter am Telefon. "Sie fragte uns, wann wir kommen. Da ahnte ich, dass etwas nicht stimmt." Nach mehreren bohrenden Fragen rückt die jüngere Tochter mit der Sprache heraus. Noch am Nachmittag steht Doreen Gerike in einem Scherbenhaufen. "Wir konnten uns gar nicht vorwärts bewegen, weil alles im Bier schwamm. Stühle, Grill, Übertöpfe lagen im Pool herum. Als ich auf die Toilette ins Bad gehen wollte, lagen dort überall Cornflakes", beschreibt sie später das Bild der Verwüstung.
Unter den Partygästen sollen auch viele Mädchen gewesen sein. Sie bedienten sich ganz offensichtlich ebenfalls freimütig im Hause Gerike. Das Schminkzeug, Glätteisen und andere Utensilien sind weg.
Fassungslos schimpft die Mutter: "Mit einer normalen Hausparty hätte ich vielleicht noch leben können, aber das übersteigt alles. Es sind auch für mich persönlich sehr wertvolle Erinnerungsstücke weg, wie der Ehering meines vor 15 Jahren bei einem Unfall verstorbenen Mannes." Das gehe weit über eine aus dem Ruder gelaufene Party hinaus. Die Tochter ist sich offensichtlich ihrer Schuld bewusst. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer. Gestern ging sie aber wieder zur Schule. "Da muss sie jetzt durch, auch wenn inzwischen jeder weiß, was sie getan hat", sagt ihre Mutter.
"Die Hausratsversicherung setzt in solchen Fällen immer einen Einbruch voraus." - Schadensexperte Dieter Roskowetz
Die Polizei ermittelt jetzt wegen Diebstahl, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch.
Polizeisprecher Joachim Albrecht vom Revier des Bördekreises: "Wir müssen jetzt erst einmal klären, wer wann im Haus war und wer genau die ungebetenen Gäste hineingelassen hat." Insgesamt 30 Namen der rund 100 Besucher seien bereits bekannt. Einem 21-Jährigen aus dem Ort und ein Komplize würden außerdem bereits konkret einiger der begangenen Sachbeschädigungen verdächtigt. "Die ersten Vernehmungen laufen", so Albrecht.
Rechtsanwalt Ronni Krug erklärt die rechtliche Lage: "Wenn die Täter strafmündig sind, können sie auch wegen der Diebstähle und Sachbeschädigungen zur Verantwortung gezogen werden. Das ist unabhängig von der Form der Einladung so, auch wenn diese eventuell gar nicht vom Einladenden persönlich, sondern über Facebook ausgesprochen wurde. Beim Hausfriedensbruch ist es da schon komplizierter." Hier sei entscheidend, wie die ungebetenen Gäste in das Haus hineinkamen und ob sie nachdrücklich darum gebeten worden sind, das Haus zu verlassen.
Familie Gerike hat zwar eine Hausratsversicherung, diese wird vermutlich aber weder für die Schäden noch für das Diebesgut aufkommen. Dieter Roskowetz, Schadensexperte bei den Öffentlichen Versicherungen Sachsen-Anhalt (ÖSA): "Die Hausratsversicherung setzt in solchen Fällen immer einen Einbruch voraus." Und der lag nach Erkenntnissen der Polizei aber nicht vor.