Prozess Fall um erschossenen Jäger geht vor Gericht
Das tödliche Ende einer Drückjagd in einem Harzer Privatwald bei Ballenstedt geht vor Gericht: Eine 21-jährige Jägerin ist angeklagt.
Quedlinburg l Überraschende Wende im Fall des im Herbst 2017 getöteten 81-jährigen Jägers bei Ballenstedt: Die Polizei konnte eine Tatverdächtige ermitteln. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft auch Anklage gegen die inzwischen 21-jährige Frau wegen fahrlässiger Tötung am Amtsgericht Quedlinburg erhoben. Das bestätigte am Dienstag Gerichtssprecher Christian Löffler.
Mit etwa 60 weiteren Jägern hatte die junge Frau aus dem Landkreis Hildesheim Ende Oktober 2017 an einer sogenannten Drückjagd in einem 500 Hektar großen Privatwald teilgenommen. Eingeladen hatte dazu der Eigentümer. Vorrangig sollte Schwarzwild gejagt werden, sagte er damals der Volksstimme. Man habe den 81-jährigen Jäger aus Niedersachsen zunächst vermisst, dann unter einem Hochsitz liegend mit einem Loch im Kopf gefunden. Zwei Ärzte aus der Jägerschaft kümmerten sich zwar sofort um das Opfer, konnten aber nichts mehr tun.
Die alarmierte Polizei schloss damals eine Selbsttötung schnell aus, so dass nur noch ein Unfall oder Tötungsverbrechen infrage kam. Doch so recht konnte niemand aus der Jagdgesellschaft sich den tödlichen Schuss erklären. Denn alle Jäger werden zum Jagdbeginn belehrt und so eingewiesen, dass sie nur von einem bestimmten zugewiesenen Standplatz aus in einem ebenfalls bestimmten Schusssektor das aufgescheuchte Wild erlegen dürfen.
Die Polizisten erhofften sich zunächst mehr Informationen von den Projektilresten. Doch tagelang durchsuchten die Beamten immer wieder das Gebiet rund um den Hochsitz. Ein Sturm erschwerte zusätzlich die Suche in dem weitläufigen Waldgebiet südlich der Ballenstedter Lungenklinik. Um Vergleichsmaterial zu haben, stellte die Polizei auch alle Waffen der 60 Jäger sicher. „Diese haben wir später aber wieder herausgegeben“, so Oberstaatsanwalt Hauke Roggenbuck. Denn ohne Projektil war ein Vergleich nicht möglich und geschossen wurde aus fast allen Waffen.
So blieb den Ermittlern nichts weiter übrig, als sich auf das sehr aufwendige ballistische Gutachten des Landeskriminalamtes zu stützen. Die Experten konnten offenbar an Hand des Schusskanals genau berechnen, aus welcher Richtung das Projektil kam.
Weil es einen Aufstellungsplan für die Jäger gab, geriet die damals 20-Jährige unter Verdacht. Laut Anklage soll sie auf einen Hirsch geschossen haben, der sich auf einem kleinen Kamm im Wald aufhielt. Das Projektil verfehlte das Ziel und konnte ohne natürlichen, vorgeschriebenen „Kugelfang“ mehrere hundert Meter weit fliegen. Wie die Staatsanwaltschaft es sieht, ist dies ein Verstoß gegen die „Unfallverhütungsvorschrift Jagd“. Darin ist festgelegt, dass ein Schuss erst abgegeben werden darf, wenn ein „natürlicher Kugelfang“ gegeben ist. Wald oder erhöhter Bewuchs eignet sich nicht. Wilko Florstedt, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes, erklärt: „Nur natürlich gewachsener Waldboden an einem kleinen Wall oder von einem erhöhten Ansitz aus kann als Kugelfang gelten.“ Der Schuss auf Wild vor freiem Himmel sei nicht gestattet, weil das Geschoss sogar kilometerweit fliegen kann.
Ein Termin für den Prozess am Amtsgericht steht noch nicht fest, so Christian Löffler. Verhandelt wird vor dem Jugendrichter, weil die Angeklagte zur Tatzeit noch Heranwachsende war.