25 Jahre Landtag Feierstunde im Vorwahl-Modus
Bei der Festveranstaltung versuchen sich vier Spitzenpolitiker an einer Würdigung des Parlaments - den Blick fest auf die nächste Wahl.
Magdeburg l Es wirkt, als sollte die Sitzordnung im Plenarsaal noch einmal den Zauber jenes Neuanfangs vor 25 Jahren erwecken. Für zwei Stunden soll es an diesem Dienstagvormittag nicht Regierung und Opposition geben, sondern nur Abgeordnete, die zusammen mit Gästen 25 Jahre Landtagsarbeit würdigen – so ist jedenfalls der Plan.
Der CDU-Regierungschef nimmt leutselig in den Bänken der SPD-Fraktion Platz, der SPD-Finanzminister wählt den Sessel des Linken Wulf Gallert, seines schärfsten Kritikers. Die vier Fraktionsvorsitzenden erdulden, dass sie nebeneinander platziert werden. Ihr Mienenspiel dabei ist höchst vielsagend. „Ein vergnüglicher Anblick“, konstatiert CDU-Fraktionschef André Schröder, der von den vieren als erstes ans Rednerpult tritt.
Beim leichten Ton bleibt er auch. Parlamentsarbeit habe anfangs im Abschreiben niedersächsischer Gesetze bestanden, gibt Schröder zum Besten, der 2002 erstmals Abgeordneter wurde. Man kann in diesem Moment die Gedanken von Katrin Budde erahnen, SPD-Spitzenkandidatin und Abgeordnete seit 1990. Ihr Gesicht spricht Bände. Als Schröder später das Lob hinterherschiebt, Sachsen-Anhalt stehe heute viel besser da als in früheren Legislaturperioden, ist es mit ihrer Contenance vorbei: Budde sieht aus, als habe sie auf eine Zitrone gebissen.
Wie passend, dass in ihrem eigenen Redemanuskript mehrfach höchstes Lob für den einstigen SPD-Ministerpräsidenten Reinhard Höppner vorgesehen ist. Dieser habe großen Anteil daran, dass das Land auf die Beine kam, sagt Budde später; unter den Gästen ist auch Höppners Witwe Renate. Budde fordert Anstrengungen, um auch frustrierte Wendeverlierer zurückzugewinnen. Zu viele hätten mit ihrer Arbeit zugleich auch Mut und Lebensfreude verloren.
Am Ende nutzt die SPD-Chefin ihre Rede zu einer vorsichtigen Kurskorrektur in Sachen Flüchtlinge – indem sie die Politik der Kanzlerin tadelt. „Mag sein, dass es unklug war von Angela Merkel zu sagen: ‚Kommt alle‘.“ Auch Merkels Selfies mit Flüchtlingen nennt sie – diese Bilder hätten wie eine Einladung gewirkt. Allerdings, mahnt Budde: Jetzt müssten alle gemeinsam handeln, um die Probleme zu lösen.
Einer ihrer potentiellen Regierungspartner setzt einen deutlich anderen Ton. Erstmals seit 25 Jahren erlebe Sachsen-Anhalt wieder einen Zuwachs, sagt Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert und lobt das als Chance. „Unsere Krise besteht in unserer schlechten Vorbereitung!“
Die nachdenklichste und kämpferischste Rede zugleich liefert Linken-Vormann Wulf Gallert, der sich einige Hoffnung machen darf, nächster Regierungschef zu werden. Bei einer Wahlabstinenz von 50 Prozent sei es nicht damit getan, Politik nur besser zu erklären, mahnt er.
Auch der Einwand von Nichtwählern, die wahre Macht habe ohnehin die Wirtschaft, sei nicht leichthin wegzuwischen. „Dieser Vorwurf hat einen rationalen Kern: die Selbstentmachtung der Politik gegenüber den Konzernen“, sagt Gallert und lässt eine kräftige Brise Wahlkampf durch den Saal wehen.
Die Würdigung von 25 Jahren Landtagsarbeit übernimmt Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU). Er erinnert an die Nervosität der Parlaments-Neulinge vor 25 Jahren. „Es ist ein kleines Weltwunder, dass ohne Masterplan, ohne Rückversicherung so viel entschieden wurde und so wenig Fehler gemacht wurden.“ Das mache Mut, auch die heutigen Probleme anzupacken.