25 Jahre Mauerfall Fernseher aus Staßfurt: Die Tradition lebt
In Staßfurt werden seit Jahrzehnten Fernseher gefertigt. Mitarbeiter und Werk haben viel mitgemacht nach dem Fall der Mauer. Fernseher werden dort noch immer gebaut. Auch wenn der Markt umkämpft ist.
Staßfurt l Die Fensterscheiben sind zersplittert. Von der weißen Fassade blättert etwas Farbe ab. Der Schriftzug, der einst in kraftvollen roten Lettern leuchtete, ist längst verblasst. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude wird schon lange nicht mehr gearbeitet. Doch die mittlerweile rot schimmernden Buchstaben R F T haben eine lange Tradition in Staßfurt (Salzlandkreis).
Der blasse Schriftzug auf dem Gebäude erinnert an die Zeit kurz nach der Wende. 3500 Beschäftigte glauben an der Fortbestand ihrer Arbeitsplätze. Die Lager sind gefüllt mit Fernsehgeräten, die nach der Währungsumstellung verkauft werden sollen. Doch die alten DDR-Fernseher werden zum Ladenhüter. Selbst die Ostdeutschen kehren den Fernsehern aus Staßfurt den Rücken, kaufen lieber westliche Produkte. Aus dem alten VEB-Fernsehwerk "Friedrich Engels" ist längst die "Rundfunk-Fernseh-Telekommunikation AG Staßfurt" geworden. Eine neue Interpretation von RFT.
Doch die Fernsehproduktion in Staßfurt scheint am Ende. Tausende Mitarbeiter sind bereits entlassen worden. 1993 arbeiten nur noch 650 Menschen in dem Werk. Auch Martina Schulze zittert in dieser Zeit um ihren Arbeitsplatz im Werk. "Immer wenn es Entlassungswellen gab, hatte ich Angst um meinen Job", erzählt die 52-Jährige.
Es ist das Jahr 1978, als Martina Schulze zum ersten Mal einen Fuß in das Fernsehwerk in Staßfurt setzt. Die Abkürzung "RFT" steht in dieser Zeit noch für den Herstellerverbund "Rundfunk- und Fernmelde-Technik". Auch der Standort in der Salzstadt gehört dazu. Das VEB Fernsehgerätewerk Staßfurt wird in den folgenden Jahren der größte Fernsehempfängerproduzent in der DDR. Martina Schulze ist dabei.
Auch heute ist das Werk in Staßfurt noch ihr Zuhause, ihr Arbeitsplatz seit 36 Jahren. Die gelernte Fernsehtechnikerin macht immer noch die Arbeit, in der sie vor Jahrzehnten ausgebildet wurde. Sie baut Fernseher. Das Logo auf den Geräten hat sich geändert. Die Technik freilich auch. Aus den klobigen Röhrengeräten wurden flache Design-Fernseher.
TechniSat ist der Name, der auf den Geräten steht, die heute das Werk verlassen. Seit 1998 werden in Staßfurt Fernseher dieser Marke produziert. Vieles hat sich geändert. Die alten Fabrikhallen sind nicht mehr so alt. TechniSat hat investiert, Gebäude saniert und die Produktion umstrukturiert. Erst vor zwei Jahren verloren im Werk rund 100 Menschen ihren Arbeitsplatz. 140 Beschäftigte gibt es derzeit noch.
Der Fernsehmarkt ist umkämpft. Die großen Hersteller aus Asien wie Samsung oder Toshiba machen es der kleinen Marke TechniSat nicht leicht. 2011 setzte der Südkoreaner Samsung fast 48 Millionen Fernseher ab. Die TV-Geräte von TechniSat werden nur in Staßfurt produziert. Jährlich verlassen etwa 70000 Geräte das Werk.
"Mit den Stückzahlen der großen Hersteller wollen wir uns nicht messen", sagt der Werksleiter in Staßfurt, Michael Wylega. Seine Geräte stehen für Qualität, für eine benutzerfreundliche Menüführung, erklärt er. Dennoch, es ist ein hartes Geschäft. Veränderungen im Werk sind nicht auszuschließen. Aber das kommende Jahr ist sicher, verspricht der 50-Jährige. "Dafür haben wir schon die Folgeprojekte in der Entwicklung", so Wylega. "Aber letztlich entscheiden das die Kunden." Absatzzahlen und Marktanteile gibt die Unternehmensleitung nicht heraus. Neben Loewe und Metz ist TechniSat die letzte TV-Marke in deutscher Hand. Der Wettbewerbsdruck hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die großen Hersteller üben einen enormen Preisdruck aus. Doch dem will sich TechniSat nicht beugen. Die Fernseher aus Staßfurt sind etwas teurer als die der großen Konkurrenten. "Unsere Kunden kaufen nicht nur den Fernseher", so Wylega. Im Preis enthalten ist der Service. Bei Reparaturen etwa bekommen TechniSat-Besitzer ein Ersatzgerät.
Auf den Fernsehern aus Staßfurt steht zwar noch "Made in Germany" drauf. Doch Bildschirme und Chipsätze kommen nicht aus Deutschland. Auch die Fernbedienungen werden extern eingekauft. Nur die Platinen, auf denen die Bauteile verschraubt werden, baut TechniSat noch selbst. Die Komponenten werden angeliefert und landen in der großen Halle mit dem Fließband.
Dort stehen Menschen wie Martina Schulze und schrauben die Teile zusammen. Etwa 50 Mitarbeiter sind in der Fertigung beschäftigt. Im Zwei-Schicht-System werden aus den Einzelteilen neue Ultra-HD-Fernseher. Viel weiter wird sich die Technik im Moment nicht entwickeln, glaubt man Werksleiter Wylega.
Fernsehgeräte aus Staßfurt sind technisch wie ihre Vorfahren aus dem alten VEB-Werk auf der Höhe der Zeit. Produktions- und Absatzzahlen wie zu DDR-Zeiten werden aber längst nicht mehr erreicht.