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Langjährige Mitarbeiterin von Landrat Lothar Finzelberg offenbart vor Gericht schlechtes Erinnerungsvermögen Finzelberg-Prozess: Richter droht Sekretärin mit Ordnungsgeld von 1000 Euro

Von Anja Keßler 11.01.2012, 04:19

Burg l Das Medieninteresse im Prozess gegen Lothar Finzelberg, den Landrat des Jerichower Landes, war gestern groß. Zwei Kamerateams und mehrere Pressevertreter verfolgten die Verhandlung neben vielen Zuschauern. Dabei stand auf dem Plan nur eine Zeugin: Finzelbergs langjährige Sekretärin Karin Pierl. Von ihr erhoffte sich die Staatsanwaltschaft klärende Aussagen zum Verhältnis von Finzelberg zu den Geschäftsführern der in den Tongruben-Skandal verwickelten Firmen Sporkenbach Ziegelei und HRH Recycling.

Doch schon die Frage von Richter Winfried Leopold danach, wie oft Stefan Strohm und Edgar Endert den Landrat in seinem Büro aufgesucht hatten, konnte die Zeugin nicht genau beantworten: "Ich erinnere mich nicht." Mehrere Nachfragen brauchte es, ehe sie sich auf eine Angabe zwischen zwei und neun Besuchen festlegte. Bei der Einschränkung des Zeitraumes von Januar 2006 bis März 2008, als ein TV-Bericht den Fall um die Tongruben in Vehlitz und Möckern aufdeckte, sprach Pierl dann von etwa fünf Treffen.

Eine Diskrepanz fand Staatsanwalt Thomas Kramer darin, dass diesen fünf Treffen 39 Telefonate, die von Pierls Büroapparat mit verschiedenen Anschlüssen Enderts geführt worden waren, gegenüberstanden. "Ging es wirklich, wie Sie heute ausgesagt haben, nur um Terminabsprachen?", wollte Kramer wissen und gab der Zeugin den Hinweis, eine Anklage wegen Falschaussage zu riskieren. "Sie sind nicht hier, um Herrn Finzelberg zu schützen." Pierl und der Angeklagte kennen sich seit 50 Jahren, waren Klassenkameraden. Bereits 1989 hatte die Sekretärin für Finzelberg im damaligen Rat des Kreises gearbeitet.

Das war der Punkt, bei dem Pierls Rechtsbeistand, Anwalt Volker Nagel, einschritt und die Befragung beanstandete. Auch Finzelbergs Verteidiger Friedrich Zoller kritisierte die Verhandlungsführung des Gerichts. In seiner Zeit als Richter hätte er der Staatsanwaltschaft in kürzeren Zügeln gehalten. Pierl wollte von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen. Das gehe nur, wenn sich die Zeugin in einer von ihr begangenen Straftat belastet hätte, erklärte Richter Leopold. Vielmehr spiele er selbst "ernsthaft mit dem Gedanken", der Zeugin ein Ordnungsgeld von 1000 Euro aufzuerlegen.

Das brachte wohl Pierls Erinnerung zurück, dass es mehrere Treffen, aber nicht mehr als zehn mit den fraglichen Herren gegeben habe. Dass es in Summe so viele Telefonate gegeben haben soll, könne sie sich nicht erklären. "Aber von meinem Apparat können mehrere Leute telefonieren."

Eine Abkürzung des Prozesses gegen Finzelberg wegen uneidlicher Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird es voraussichtlich nicht geben, was allerdings einmal im Raum stand. "Ich werde nichts zugeben, was ich nicht getan habe", wies Finzelberg gegenüber der Volksstimme alle Spekulationen über mögliche Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung zurück.

Beim nächsten Prozesstag am 24. Januar steht unter anderem der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, Uwe S., auf der Zeugenliste. Der ehemalige Mitgeschäftsführer der Sporkenbach Ziegelei sitzt derzeit eine mehrjährige Haft ab.