Zeitarbeit Für immer verliehen
In Sachsen-Anhalt gibt es mehr als 21000 Leiharbeiter. Ein fester Job springt für die meisten nicht heraus.
Magdeburg l Günther Falk* fühlt sich wie ein Mitarbeiter zweiter Klasse. Bei der Rothenseer Rotorblattfertigung in Magdeburg, einem Tochterunternehmen des Windkraftanlagen-Herstellers Enercon, ist der 47-Jährige seit mehr als vier Jahren als Leiharbeiter beschäftigt. Bis zu 700 Euro im Monat verdient er weniger als Kollegen, die in vergleichbarer Position fest angestellt sind.
Mehr als 3000 Beschäftigte arbeiten bei den sechs Enercon-Tochterfirmen in der Region. Noch im Sommer sagte Volker Ziem, Geschäftsführer der Rothenseer Rotorblattfertigung, dass der Konzern in Magdeburg etwa 700 Leiharbeiter beschäftigt. Zu aktuellen Zahlen wollte sich Ziem gegenüber der Volksstimme allerdings nicht äußern.
Günther Falk sagt, ihm sei schon häufig eine Festanstellung versprochen worden. Doch noch immer sind seine Dienste von dem deutschen Windanlagenbauer nur geliehen. Die Beschäftigung auf Zeit ist für Menschen wie Günther Falk die einzige Alternative zur Arbeitslosigkeit. Eine abgeschlossene Berufsausbildung hat er nicht. Die im Vergleich schlechtere Bezahlung zu Festangestellten nimmt er hin.
In Sachsen-Anhalt ist Falk einer von mehr als 21 300 Leiharbeitern. Laut Bundesagentur für Arbeit sind etwa drei Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Leih- oder Zeitarbeiter. Rund 70 Prozent von ihnen sind männlich. Fast die Hälfte aller Zeitarbeitsverhältnisse, so die Agentur, wird in den ersten drei Monaten wieder aufgelöst.
Der ursprünglich angedachte Weg – sich über eine zeitlich befristete Beschäftigung für eine Festanstellung zu empfehlen – verpufft häufig. Vielmehr habe sich eine „strategische Nutzung der Leiharbeit“ in einigen Branchen etabliert, sagt Detlev Kiel, Chef der Gewerkschaft IG Metall in Magdeburg. Er erklärt: „Viele Unternehmen profitieren von Leiharbeitern. Die Beschäftigten machen das Gleiche wie die Stammbelegschaft, sind dauerhaft im Betrieb, werden schlechter bezahlt und können von heute auf morgen vor die Tür gesetzt werden.“
Auch für Roman Müller* sollte der Weg über die Zeitarbeitsagentur ein Sprungbrett in eine Festanstellung sein. 2009 fing er bei einer Enercon-Tochterfirma in Magdeburg an. Heute, sechs Jahre später, ist er noch immer dort als Leiharbeiter beschäftigt. „Die Arbeit gefällt mir sehr gut. Der Lohnunterschied ist der einzige Wermutstropfen“, sagt der 32-Jährige. Aussicht auf einen festen Vertrag bestehe derzeit nicht. Im Gegenteil: „Die Angst, dass man gesagt bekommt, man brauche nicht mehr wiederzukommen, schwingt immer mit.“
Wie viel Geld Zeitarbeiter verdienen, wenn sie nicht in einer Entleihfirma arbeiten, muss im Arbeitsvertrag mit der Verleihfirma stehen. Das Gehalt darf nicht niedriger sein als die in der Leiharbeit geltenden Untergrenzen (derzeit 8,80 Euro im Westen und 8,20 Euro im Osten). Mit der Verleihfirma besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
In Sachsen-Anhalt beherrschen Randstadt und Adecco den Markt. Die beiden Verleiher vermitteln ihr Personal an jeweils etwa 1000 Unternehmen im Land. „Die Dauer der Einsätze unserer Mitarbeiter variiert je nach Bedarf des Kunden“, sagt Thomas Bäumer, Geschäftsführer bei Adecco. Das können Tage, Monate, aber auch Jahre sein. „Diesen flexiblen Zugriff nutzen viele Unternehmen, wenn sie größere Aufträge, Urlaubszeiten oder andere personelle Engpässe haben“, erklärt Bäumer, der gleichzeitig auch Vizepräsident des Bundesarbeitgeberverbandes der Personaldienstleister (BAP) ist.
Laut firmeneigener Statistik kann Zeitarbeit durchaus zu einer festen Anstellung führen: „Viele unserer Kunden übernehmen Beschäftigte, die sich bewährt haben“, sagt Bäumer. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter von Adecco und Randstadt werden, so die Agenturen, noch im ersten Jahr ihrer Zeitarbeit in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stellte allerdings vor zwei Jahren fest, dass nur weniger als jeder zehnte Leiharbeiter in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen werde.
Bei der MKM Mansfelder Kupfer- und Messing GmbH in Hettstedt (Landkreis Mansfeld-Südharz) bekommen Zeitarbeiter automatisch einen festen Vertrag, die länger als zwölf Monate bei dem Kupferlieferanten beschäftigt sind. MKM setzt bei mehr als 1000 Beschäftigten bis zu 70 Zeitarbeiter ein, um Auftragsspitzen flexibel abdecken zu können, so ein Sprecher.
Unternehmen müssen die Personalverleiher teilweise sogar dafür entschädigen und eine Ablösesumme für den Leiharbeiter zahlen. „Diese Abschlagszahlung kann bis zu einem halben Jahresgehalt betragen und hängt von der Qualifikation des Mitarbeiters ab“, so ein Branchenkenner.
* Namen von der Redaktion geändert