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Zerbster Park-Restaurant "Vogelherd" gehört zu den besten Sachsen-Anhalts / Küchenchefin verrät Weihnachtsrezept. Von Silke Janko Gault Millau: Bei Muttern das Kochen gelernt

22.12.2012, 01:19

Das Park-Restaurant Vogelherd in Zerbst gehört seit mehr als 20 Jahren zu den besten Restaurants Sachsen-Anhalts. Seit 1992 erhalten die beiden Inhaber Gabriele und Ronald Erdmann regelmäßig die höchsten Noten des französischen Restaurantkritikers "Gault Millau." Und dabei ist die Köchin eine Seiteneinsteigerin.

Zerbst l "Ob Rosmarin-Pilzsuppe mit Schinkentörtchen, Consommé von der Taube oder Variationen von der Lachsforelle: Die Karte ist unspektakulär, aber alles andere als langweilig", heißt es in der 2013er Ausgabe des französischen Restaurantkritikers "Gault Millau" zum Zerbster Park-Restaurant "Vogelherd, das seit 20 Jahren zu den rund 20 Spitzenrestaurants im Lande zählt. In der aktuellen Ausgabe der rund 800 Seiten dicken Feinschmecker-Bibel haben die Tester Küchenchefin Gabriele Erdmann 15 von 20 möglichen Punkten verliehen - was so viel heißt, bei Küchenchefin Gabriele Erdmann wird Kochen zur Kunst.

"Denn Fertigprodukte gab es zu DDR-Zeiten nicht."

Dabei ist die 54-Jährige gar keine gelernte Köchin, sondern eine Seiteneinsteigerin und Autodidaktin. Das Kochen hat sie von ihrer Mutter gelernt, die in einer Zerbster Betriebsküche täglich für 400 bis 500 Leute Mittag kochte. Die Mutter, die die schweren Seiten dieses Berufs nur allzu gut kannte, hatte sie auch gedrängt, lieber nicht in ihre Fußstapfen zu treten: Die Tochter absolvierte schließlich eine Lehre zur Bankkauffrau, anschließend ein Studium zum Ingenieurökonomen. Doch das Bankgeschäft war nichts für die agile Frau: 1987 übernahmen Gabriele und ihr Mann Ronald die Gaststätte der Großeltern ihres Mannes, die fast 18 Jahre lang leerstand, und bauten sie um und aus. Ihr fiel der Küchenpart zu, ihr Mann übernahm den Service. Per Erwachsenenqualifizierung machte Gabriele Erdmann den Facharbeiter zur Restaurantfachfrau. Ihre Mutter stand anfangs mit in der Küche und brachte dort ihrer Tochter das Kochen bei, auch der Not gehorchend: "Denn Fertigprodukte gab es zu DDR-Zeiten nicht." Mutters Schule kann nicht die schlechteste gewesen sein - denn das kleine Restaurant mit rund 40 Plätzen ist an den Wochenenden stets ausgebucht.

Dass Restaurant-Kritiken über Wohl und Wehe einer Gaststätte, sogar deren Existenz, befinden können, davon hatten die Erdmanns anfangs keinen blassen Schimmer. "Wir wussten nichts davon, als uns Anfang 1992 ein Verlag in sein Buch mit aufnehmen wollte und anfragte, ob wir uns testen lassen wollten", erzählt sie. An den ersten Test der Gault-Millau-Feinschmecker kann sich Gabriele Erdmann noch genau erinnern: "Drei Männer wollten nachmittags um 15 Uhr Champagner trinken. Das war ziemlich ungewöhnlich. Und wir hatten nur Rotkäppchen-Sekt in Piccolo-Flaschen", erzählt sie. Moniert hatten die Kritiker schließlich in der Ausgabe 1992, dass am Spargelsalat "etwas fehlte" und der Pflaumenkuchen zu kalt war. Beim ersten Test haben die Feinschmecker an den "Vogelherd" 13 Punkte vergeben: "Da haben wir gemerkt, so leicht ist das nicht." So ist der alljährliche Restauranttest für Küchenchefin Gabriele Erdmann, die mit ihrem Sohn Michael als Jungkoch, Gerhard Zahlmann als langjährigem Koch sowie einem Lehrling am Herd steht, immer wieder eine Herausforderung.

"Der Gast kommt nie wieder, wenn es schlecht geschmeckt hat."

Aber auch die Lage des "Vogelherdes", etwas abseits vom Zerbster Stadtrand (im aktuellen Gault-Millau als "mitten in der Pampa" tituliert) verlangt einige kulinarische Verführungskünste, damit der Besucher den Weg über die Buckelpiste in Kauf nimmt. "Der Gast kommt nie wieder, wenn es schlecht geschmeckt hat", sagt Gabriele Erdmann. Wer aber glaubt, im "Vogelherd" werden vor allem Trüffel, Hummer und Co. serviert, der irrt. "Wir sind eigentlich kein ausgesprochenes Gourmetrestaurant. Eher eine feine Landhausküche, in der ausschließlich frische Produkte verwendet werden", erklärt sie die Philosphie ihres Hauses. Der Gast soll satt werden - den Hunger mit Genuss stillen, so verstehen die Erdmanns ihren Anspruch. Dazu gehört Gemüse aus der Region und dem eigenen Garten, Fleisch vom Bauern, den die Erdmanns persönlich kennen, das Wildbret vom Möckeraner Forstbetrieb. Und alles wird selbst von Hand zubereitet - im Frühjahr und Sommer der Spargel, der selbstgeschält wird, und im Winter der Grünkohl, durch den Fleischwolf gedreht.

In der Frische der Produkte liegt wohl das Geheimnis des guten Geschmackes. Ein Qualitätskriterium, das angesichts einer bunten Vielfalt von Fertigprodukten längst nicht mehr in jeder Gaststätte und in jedem Haushalt Maßstab für eine gute Küche ist. Wer noch nicht weiß, was es zum Fest zu Mittag oder zum Abend geben soll, für den hat Gabriele Erdmann einen Vorschlag, der ohne größeren Aufwand leicht nachzukochen ist.