Gerichtsverfahren Kommunen klagen gegen Kreisumlage
Viele Gemeinden in Sachsen-Anhalt müssen fast die Hälfte ihrer Einnahmen an den Kreis abliefern. Einige klagen nun dagegen.
Magdeburg l Bürgermeister kontra Landräte: 29 Verfahren stehen insgesamt an. 13 Klagen kommen allein aus dem Salzlandkreis. Dort müssen die Gemeinden 47 Prozent ihrer Steuereinnahmen und Landeszuweisungen an den Kreis überweisen. Das ist der zweithöchste Satz im Land. Die Verbandsgemeinde Egelner Mulde etwa sieht sich finanziell nahezu erdrosselt. „Allein unsere Kita-Ausgaben haben sich in fünf Jahren auf 1,6 Millionen Euro verdoppelt“, sagt Bürgermeister Michael Stöhr.
Nun sind auch noch 3,8 Millionen Euro Kreisumlage fällig. „Seit drei Jahren sage ich dem Landrat, dass das so nicht geht. Aber wir werden nicht gehört“, schimpft Stöhr. Landrat Markus Bauer (SPD) verweist auf die ebenso klamme Kreiskasse. Das Finanzloch sei 98 Millionen Euro groß. „Trotzdem müssen wir steigende Ausgaben schultern.“
Landkreise sind etwa für Schulgebäude, Straßen und Jugendhilfe zuständig. Auch sie zahlen Kita-Zuschüsse. Gelder bekommen sie von Land und Bund - mehr als ein Viertel ihrer benötigten Gelder holen sich die Landkreise von den Gemeinden. 2018 müssen Sachsen-Anhalts Städte und Dörfer insgesamt 720 Millionen Euro überweisen.
2016 waren es knapp 600 Millionen Euro. Die Umlagesätze gehen von 48 Prozent (Jerichower Land) bis 37 Prozent (Burgenlandkreis). Das Landesmittel liegt bei 44 Prozent. In Baden-Württemberg sind es 37 Prozent, im Saarland fast 60 Prozent. Das Bundesverwaltungsgericht zog schon 2013 Grenzen: Kreise dürfen ihre Interessen nicht rücksichtslos durchsetzen. Und das Thüringer Oberverwaltungsgericht urteilte 2016: Vor Festsetzen der Kreisumlage müssen die Gemeinden gehört werden. Der Kreis muss seine Ausgaben erklären und verteidigen.
Das war in Sachsen-Anhalt nie der Fall. Viele Bürgermeister sind daher siegesgewiss. Dabei ist den meisten klar: Wenn auch das Verfahren transparenter würde - mehr Geld gibt es nur, wenn das Land mehr Mittel an Gemeinden und Kreise überweist.
Einige Gemeinden lassen sich von einem bekannten Anwalt vertreten: Ulf Gundlach, bis 2016 Innen-Staatssekretär. Er war mit der Materie bestens vertraut; dass er nun gegen Landkreise zu Felde zieht, treibt bei Landräten den Puls. „Das geht gar nicht“, sagt Landrat Bauer. Sein Kollege Götz Ulrich (Burgenlandkreis) nannte Gundlachs Wirken „unanständig“. Gundlach wies die Angriffe zurück und sagte der Volksstimme: „Wenn die Landräte ein gutes Gewissen hätten, dass ihre Kreisumlagebescheide rechtmäßig ergangen sind, hätten sie dies nicht nötig.“
Doch die Sache ist heikel. Verletzt der Ex-Staatssekretär Loyalitätspflichten? Im Innenministerium wird der Vorgang immerhin von Fachleuten geprüft. „Die Stellungnahme liegt aber noch nicht vor“, sagt Sprecher Danilo Weise.
Zum Kommentar "Klagen sind Hilfeschrei der Kommunen" von Jens Schmidt