Spezialisten-Netzwerk "Willkommen Baby" soll Frühgeburtenrate in Sachsen-Anhalt weiter senken Geringe Neugeborenensterblichkeit, viele Frühchen
Magdeburg. Die Neugeborenensterblichkeit ist in Sachsen-Anhalt so niedrig wie in kaum einem anderen Bundesland. Bei der Frühgeborenenrate kommt das Land jedoch lediglich auf den vorletzten Platz. Nur im Saarland ist der Anteil der Frühchen noch höher. 1500 Kinder kamen 2009 vor der Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt – 7,5 Prozent aller geborenen Kinder. Im Bundesschnitt sind es 6,9 Prozent.
Vor fünf Jahren hat die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) deshalb das Präventionsprogramm "Willkommen Baby" ins Leben gerufen. 1157 Versicherte haben sich daran beteiligt – mit Erfolg, denn bei ihnen betrug die Frühchen-Rate nur 5,5 Prozent. "Wir haben ein Spezialisten-Netzwerk aus aktuell 171 niedergelassenen Frauenärzten und sechs Kliniken, darunter die Perinatalzentren in Magdeburg und Halle, aufgebaut", berichtet Hartmut Kopf von der DAK.
Anhand einer Checkliste besprechen Ärzte und am Vorsorgeprogramm teilnehmende Schwangere Risikofaktoren für eine Frühgeburt. Die DAK finanziert außerdem zusätzliche Ultraschalluntersuchungen, einen Blutzuckertest und einen Selbsttest zum Aufspüren von Scheiden-Infektionen. Zeichnen sich Komplikationen ab, weisen die Gynäkologen sofort in die jeweilige Spezialklinik ein, wo Frühgeburten oft noch hinausgezögert und die Frühchen bestmöglich versorgt werden können. "Das spart uns Geld, denn die Behandlung von Folgeschäden Frühgeborener ist in der Regel teurer", so Kopf.
Andere Krankenkassen in Sachsen-Anhalt beteiligen sich jedoch noch nicht am Programm, obwohl es ihnen laut DAK offensteht. Seit 1989 hat sich die Zahl der Geburten im Land halbiert – ein "Desaster" für Professor Gerhard Jorch, Direktor der Universitätskinderklinik Magdeburg. Deswegen sei die geburtsmedizinische Infrastruktur in den vergangenen Jahren stark zusammengeschrumpft. Paradoxerweise verbucht Sachsen-Anhalt dennoch bundesweit die zweitniedrigste Sterblichkeit bei Neugeborenen (siehe Grafik).
Woran das liegt, können Jorch und sein Kollege Serban-Dan Costa von der Uni-Frauenklinik nicht wissenschaftlich erklären. Sie mutmaßen, die Infrastruktur sei Fluch und Segen zugleich. An den wenigen Klinikstandorten konzentrierten sich spezialisierte Ärzte und Pflegekräfte, es gebe kaum Wettbewerb um Patienten. Deshalb plädieren beide für einen bundesweiten Strukturwandel. Dann sei es nicht unrealistisch, dass man von derzeit 1500 toten Neugeborenen pro Jahr auf unter 1000 komme. Meinung I