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Goitzsche Front Gratwanderung am rechten Rand?

Die Bitterfelder Band „Goitzsche Front“ ist in den deutschen Albumcharts. An den rechten Rand wollen sie sich nicht rücken lassen.

09.02.2016, 23:01

Burg l Harter Sound, martialisch. Die Bässe dröhne, das Schlagzeug wird aggressiv gespielt. Keine Musik, um mit der Freundin romantisch zu entspannen, keine Musik für die Geburtstagsfeier der lieben Oma. Die Bitterfelder Band „Goitzsche Front“ weiß laute Musik zu machen. Schon die ersten Alben waren aggressiv, die Musik das aktuelle politische System kritisierend. Die Band - bestehend aus Sänger Bocki, Ulze (Bassgitarre), TT (Drums) und Maxi (Gitarre) - hatte einst als Coverband angefangen. Und so passt es, dass sie als Bonus auch auf dem im Januar erschienen Album „Monument“ Lieder wie „Du hast den Farbfilm vergessen“ von Nina Hagen oder den Puhdys-Hit „Wenn ein Mensch lebt“ gecovert haben.

Seit 2009 spielen sie zusammen, seit April 2012 auch mit eigenen Liedern und dem ersten Sampler. „Monument“ ist das dritte Album der Jungs aus der Goitzsche, dem gefluteten Tagebau bei Bitterfeld-Wolfen.

Mehr denn je gehen sie auf ihre Heimat ein. Ihre „Front“, ihre Wurzeln, ihr Zusammenhalt ist dort begründet. Sie stehen auf der Bühne als vier Kumpels. Gekommen, um zu rocken, zu trinken und Party zu machen. Von der Freiheit träumend, aber in die Heimat zurückkehrend. Viel herumgekommen sind sie, so singt es Bocki in „Hafen und Herz“, aber zu lange seien sie nicht mehr in der geliebten Heimat gewesen. „Ich komm nach Hause, denn du fehlst mir, denn zu Hausse fühle ich mich nur bei dir. Du bist mein Hafen und mein Herz. Ich komm nach Hause, in die Stadt, die mir fehlt, in die Heimat, um zu zeigen, wie es mir geht.“ In dem Video kommen die Jungs heim, zu ihrer Frau, zur Oma. Im großen Finale treffen sie sich wohl in jenem Probenraum, in dem alle begann. Kennegelernt haben sie sich in einer Bergbaukneipe, von unten gekommen, um die Musikwelt zu erstürmen.

Ihre Texte beschreiben die harten Zeiten, die sicher auch die vier Musiker nach der politischen Wende durchzustehen hatten. Ihre Worte sind hart, an der Grenze zu jenen, die auch Frei.Wild benutzen. Ihre Musik erweckt den Eindruck, genau jene Fans ebenso zu bedienen. Ihr Aussehen wirkt teilweise genauso aggressiv, wie ihre Musik. An den rechten Rand sind sie schnell gerückt, bei einer Internetsuche kommt das Wort „rechts“ zusätzlich zum Bandnamen als einer der ersten Vorschläge. Eine Anfrage zu diesem Thema der Volksstimme an die Pressesprecherin der Band blieb unbeantwortet.

Einmal nur sehr schwer zu glauben. Immerhin sind „Goitzsche Front“ beim G.O.N.D. im vergangenen Jahr aufgetreten. Dieses Festival ist ein Tribut an die seit 2014 wieder aktive Band „Böhse Onkelz“. Trotz aller Bemühen werden sie immer wieder an den rechten Rand gerückt. Einen Hehl aus Kontakten in diese Szene haben sie nicht geleugnet. Ob ihr Wandel wirklich vollzogen ist, darf ein jeder Musikfan selbst bewerten.

Auf der anderen Seite haben die Bitterfelder sich im Vorspann des Videos zu „Schweinepriester“ deutlich gegen Extremismus und Gewalt ausgesprochen. Dies sei „noch nie eine Lösung - weder damals noch heute“. Diese Worte sind zu lesen. Auch spielen sie mit Worten von Bertolt Brecht. Der deutsche Lyriker arbeitete unter anderem eng mit Kurt Weill zusammen, beide litten in den 1930er Jahren unter den damals regierenden Nationalsozialisten, die von beiden Künstlern geschaffene Dreigroschenoper gilt als Meisterwerk und wurde von Die Toten Hosen zuletzt auf ihrem Album „Entartete Musik – Willkommen in Deutschland“ vertont.

Auch im Video zu „Hafen und Herz“ trägt Gitarrist Maxi ein T-Shirt des Hamburger Fußballveriens FC St. Pauli. Ein Verein, der alles andere als für seine rechtsextremen Fans bekannt ist. Vielmehr ist der Totenkopfclub neben Union Berlin der Inbegriff von linken Vereinen im deutschen Profifußball. Doch immer wieder tauchen in den Texten auch Begriffe wie „Schmiedehammer“ und „Männer aus Stahl“ auf. Sie lassen zumindest immer wieder den Eindruck zu, dass sich die vier Musiker keine allzu großen Gedanken um die politische Strahlkraft ihrer Musik machen.

Dass sie damit auch rechter gesinnte Musikfans bedienen, zeigt ein Kommentar bei Youtube unter „Schweineprister“. Ein gewisser „Andy Völter“ meint: „Bin politisch gesehen rechts, muss aber ehrlich sagen tolles Lied und viel Wahrheit im Text. Hoffe, ihr werdet nicht als Band in eine Schublade gesteckt wie andere tolle Bands.“

Und „Oioi 69!“ verbietet sich jedes Schubladendenken: „Danke für den Song! Fuck off Antifa und Pegidanazis!!! Euer Geheule kotzt uns an!!! Weder Rot noch Braun sollst du trauen!!! Skins und Punks gegen Gewalt, Rassismus und Kommunismus!!! Fuck of Politik!!!!“ Vielleicht wollen die Vier genau das. Sich dem System widersetzen, ohne dabei eine klare politische Meinung zu vertreten. Oder es geht ihnen wirklich nur um Party, Bier und Deutschpunk.

Am 12. Februar treten „Goitzsche Front“ ab 20 Uhr in der Magdeburger Factory auf.