Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg zeigt, wie die DDR und ihre Staatssicherheit mit Andersdenkenden umging "Grundsätzlich kann von jedem Beschuldigten ein Geständnis erlangt werden"
Magdeburg l Eine neue Dauerausstellung unter dem Titel "Grundsätzlich kann von jedem Beschuldigten ein Geständnis erlangt werden" ist ab heute in der Gedenkstätte Moritzplatz in Magdeburg zu sehen.
Die Schau in zwölf Räumen zeigt die Geschichte unter zwei Aspekten - der des Gebäudes, das 1876 als Königliches Amtsgericht und Strafgefängnis eröffnet worden war und die der Repression gegen Andersdenkende in der DDR. Das Gefängnis war seit 1958 Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit, in der bis Ende 1989 über 4000 Frauen und Männer vor allem aus dem früheren Bezirk Magdeburg als angebliche Staatsfeinde inhaftiert worden waren. In der Mehrzahl der Fälle, seit 1975, war den Inhaftierten der Vorwurf der "versuchten Republikflucht" (Paragraf 213 DDR-Strafgesetzbuch) gemacht worden.
Der Titel der Ausstellung kommt nicht von ungefähr: Der letzte Leiter der MfS-Untersuchungshaft, Rudolf Wanura, soll den Vernehmern die Vorgabe "Grundsätzlich kann von jedem Beschuldigten ein Geständnis erlangt werden" gemacht haben.
Zu sehen sind Zellen im Originalzustand der jeweiligen Epochen, so wie es die Inhaftierten geschildert hatten. Auch Gefängnisküche, das Sanitäterzimmer und ein Vernehmerraum wurden nachgestaltet. Einblick können die Besucher in Karteikarten-Kopien zu den Inhaftierten sowie in interne Dienstanweisungen und Gerichtsurteile nehmen. Über Audiodateien erfährt der Besucher mehr über die Schicksale der Betroffenen. Darunter ist auch die Geschichte des Magdeburgers Ralph-Peter Klingenberg. Er entwarf als 18-Jähriger mit drei Freunden ein Flugblatt, auf dem er Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Einhaltung der UN-Charta von Helsinki einforderte. Darunter setzte er den Satz: "Wir sind geboren, um frei zu sein." Acht Monate saß er im Gefängnis am Moritzplatz. Das Bezirksgericht Magdeburg verurteilte ihn am 8. Januar 1976 wegen staatsfeindlicher Hetze zu zwei Jahren Haft. Am 8. September 1976 kaufte ihn die Bundesrepublik frei. Nach der Wiedervereinigung wurde er rehabilitiert, seit 2003 lebt er wieder in Magdeburg. Ralph-Peter Klingenberg meint: "Es ist wichtig, dass darüber gesprochen wird."
23 Berichte von Betroffenen, die einst am Moritzplatz inhaftiert worden waren, berichten über ihr Leben. Die Interviews sind Teil eines Zeitzeugenprojektes. Die Ausstellung benennt aber auch jene, die am Moritzplatz einst das Sagen hatten. Genannt werden zum Beispiel Bruno Scharf, während der Nazizeit im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, später Chef der Stasi-U-Haft und Stasi-Major in der Hauptverwaltung in Berlin - und Wolfgang Falke, letzter Chef der Vernehmerabteilung. Der vom Bürgerkomitee gestaltete Abschnitt geht auch speziell auf das Jahr 1989 ein, das letztlich mit der Auflösung und Entlassung aller Inhaftierten endete.
"Die Dauerausstellung wird sicher 15 Jahre hier gezeigt werden", erklärt Daniel Bohse, Leiter der Gedenkstätte. "Sie soll zum Demokratieverständnis beitragen, die Vorzüge des Rechtsstaates verdeutlichen." Die Gedenkstätte hofft, dass insbesondere Schüler die Angebote nutzen. Interessenten können Zeitzeugengespräche, Projekttage und Führungen vereinbaren.
Die Ausstellung ist geöffnet von montags bis mittwochs von 9 bis 16, donnerstags bis 18, freitags bis 15 Uhr, jeden ersten Sonnabend im Monat von 10 bis 12 Uhr. Kontakt: Gedenkstätte Moritzplatz, Umfassungsstraße 76, Tel. 0391/ 244 55 90