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Geschäftsidee Hier mietet Deutschland Strampler

Zwei junge Magdeburger starten mit einer pfiffigen Geschäftsidee durch. Seit zwei Jahren vermieten sie übers Internet Kinderkleidung.

Von Elisa Sowieja 18.01.2016, 00:01

Magdeburg l Die H-&-M-Kassiererin schaute mächtig verdutzt. Wie selbstverständlich türmte ein junger Typ einen gigantischen Berg aus Kinderklamotten vor ihr auf. Fünfmal flitzte er zwischen Regalen und Kasse hin und her, dann hatte er alles zusammen: von fast jedem Stück in der Abteilung ein Exemplar. Nach dem Bezahlen ging es weiter zu Karstadt – gleiches Spiel nochmal. Jener Typ im Kaufrausch war Hendrik Scheuschner. Sein Shopping-Exzess, zwei Jahre ist er jetzt her, gehört zur Gründungsgeschichte der Internet-Seite Kilenda, auf der man Kinderkleidung mieten kann.

Die Idee stammt von zwei Männern, die selbst noch nichts mit Nachwuchs am Hut haben. Scheuschner, 27 Jahre alt, Maschinenbauer, und Patrick Trübe, 23, Computervisualistiker, wurden bei einem Job neben dem Studium inspiriert. „In der Firma waren jede Menge Frauen schwanger“, erinnert sich Scheuschner. „Sie haben mal darüber geredet, dass Kinder so schnell aus ihren Sachen rauswachsen und die dann herumliegen.“

Also testeten die zwei, ob es einen Markt für Mietklamotten gibt – mit einer schlichten Internetseite, auf der sich Eltern registrieren konnten, samt Angaben zu Größe des Kindes, Geschlecht und Kleidungsstil. Die Seite bewarben sie über Facebook und Google. Trübe: „Wir sind dann in Läden gegangen und haben Sachen fotografiert, die zu den Wünschen passen. Die Fotos haben wir samt Mietangebot verschickt.“

Die Magdeburger merkten schnell: Das lohnt sich. Praktischerweise hatten sie an der Magdeburger Uni gerade das letzte Semester beendet. Die Firma, in der sie den Nebenjob hatten, eine Unternehmensberatung, stellte ein Büro und vermittelte einen Investor: einen Umweltdienstleister. Schließlich schont es auch die Öko-Bilanz, wenn durch Wiederverwertung weniger Klamotten produziert werden müssen. Erstmal gab es Geld für sechs Monate. Damit bauten die beiden einen Online-Shop auf. Hier stellten sie dann die Sachen aus Scheuschners Shopping-Rausch ein.

Auch dieses Experiment glückte, also machte der Investor Nägel mit Köpfen: Er gründete eine Firma und stellte die zwei als Geschäftsführer ein. Seitdem kaufen sie keine Magdeburger Läden mehr leer. Bei Modemessen decken sie sich direkt beim Händler ein. Damit sind sie die ersten in Deutschland, die im großen Stil Baby- und Kinderkleidung vermieten.

1400 Stammkunden aus ganz Deutschland bestellen inzwischen bei Kilenda. Mehr als ein Drittel komme auf Empfehlung, sagt Trübe. 20 bis 30 Bestellungen gingen momentan pro Tag ein, zu Hochzeiten seien es 60 bis 100.

Gemietet wird monatlich. Ein 20-Euro-Shirt zum Beispiel kostet für diese Zeit 3,50 Euro. „In der Regel kann man die Sachen dreimal vermieten“, sagt Scheuschner. Damit die Klamotten lange halten, achten die zwei beim Einkauf vor allem auf Reißverschlüsse, Stoff und Nähte.

Zwar können Kunden auf Wunsch nur neue Stücke mieten. „Die meisten nehmen aber Gebrauchtes“, sagt Trübe. Wieso? „Da sind Chemikalien meist schon herausgewaschen.“

Sieben Angestellte und vier Werksstudenten unterstützen die beiden heute. Beim Verwalten der Klamotten hilft ein ausgeklügeltes System: In einem riesigen Lager liegt das Sortiment verteilt auf Tausende nummerierte Regalfächer. Die helfen in Verbindung mit einem Computerprogramm, Bestellungen zu finden und Zurückgeschicktes nach dem Waschen wieder einzusortieren.

Für das Erfolgsmodell haben sich mittlerweile die ersten Nachahmer gefunden. In Hessen steht ein ähnliches Portal namens „Kindoo“ in den Startlöchern. Und in Halle gibt es seit Mai die Seite „Räubersachen“, auf der ökologische Babykleidung verliehen wird. Die Magdeburger sehen die Konkurrenz gelassen. „Wenn sich durch andere herumspricht, dass man Kinderkleidung mieten kann, hilft das vielleicht auch uns“, sagt Scheuschner.

Dass die zwei noch kinderlos sind, sehen sie übrigens als Vorteil. Trübe erklärt, wieso: „Wenn man glaubt, Experte zu sein, schwingt bei allen Entscheidungen die eigene Meinung mit. So aber sind wir gezwungen, immer wieder mit unseren Eltern darüber zu reden, was Eltern wollen.“