Beiträge zur Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft steigen bis auf das Siebenfache Hobby-Landwirte sehen sich abgezockt
Hobby-Imker, Pferdehalter und andere Kleinlandwirte Sachsen-Anhalts müssen für ihre Pflichtversicherung künftig tiefer in die Tasche greifen. Weil die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Beiträge nach einem neuen Verfahren berechnet, drohen immense Beitragssteigerungen.
Wedringen/Möckern. Eigentlich wollte Hartmut Trautvetter seinen Ruhestand damit verbringen, andere für seine Lieblingsbeschäftigung, die Imkerei, zu begeistern. Doch seit ihm kürzlich der jährliche Beitragsbescheid für 2010 der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland (LBG MOD) ins Haus flatterte, ist sich der 66-Jährige nicht mehr so sicher, wer sich dieses Hobby künftig noch leisten kann. 305 Euro soll der Imker für seine 30 Bienenvölker berappen, während es in den Vorjahren konstant 45 Euro waren. "Das ist eine Steigerung auf fast 700 Prozent", sagte er empört. Weil er mehr als 25 Bienenvölker unterhält, wurde der Imker einst zum Eintritt in die Genossenschaft verpflichtet.
Auch landwirtschaftliche Unternehmer wie Fischzüchter oder Weinbauer müssen sich in der Genossenschaft gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten absichern. Für die meisten eine bezahlbare und nachvollziehbare Angelegenheit – bis sich die bundesweit acht selbständigen Genossenschaften und ihr Spitzenverband, auch unter dem Druck des Gesetzgebers, dazu entschlossen, ihre Berechnungsmodell zu reformieren. Seither steigen die Beiträge um durchschnittlich 29 Prozent, doch Imker und Viehhalter trifft es meist härter.
Ursula Schlegel von der LBG MOD sagte, die Beiträge würden jetzt nach Arbeitsaufwand und Gefährdungspotenzial berechnet. "Außerdem will der Bund die Zuschüsse zurückfahren, mit denen die finanziellen Unterschiede der einzelnen Genossenschaften reguliert wurden." Finanzstärkere Genossenschaften wie die LBG MOD müssten die schwächeren, vorrangig in Süd- und Südwestdeutschland, stabilisieren.
Falko Breuer vom Imkerverband Sachsen-Anhalt sagte, für ihn sei die immense Steigerung "nicht nachvollziehbar". Der Verband will deshalb prüfen, ob eine Sammelklage Aussicht auf Erfolg hat.
Auch Emil Kozakewicz, Besitzer von fünf Shetland-Ponys, staunte nicht schlecht: Statt des gewohnten Jahresbeitrags von 280 Euro soll er 737 Euro zahlen – für den 76-Jährigen fast eine komplette Monatsrente. "Das ist doch Betrug", sagte er. "Die Ponys sind mein Hobby, ich nutze sie zu keinerlei finanziellen Zwecken. Doch das spielt keine Rolle."
"Pferdewirte haben einen gefährlichen Job", sagte Genossenschaftssprecherin Schlegel. Ihr Unfallrisiko habe sich bisher nicht in den Beiträgen widergespiegelt. Das sei jetzt anders. Ingo Nürnberg vom Pferdezuchtverband Anhalt-Brandenburg bemängelte die mangelnde Differenzierung zwischen den verschiedenen Pferdewirten.
Auch das Landwirtschaftsministerium steht der neuen Beitragsberechnung kritisch gegenüber. "Die Satzung gehört auf den Prüfstand, ihr fehlt es an Ausgewogenheit", sagte Sprecher Detlef Thiel. "Hobbyimker, klei- nere Betriebe und Waldbesitzer werden unsolidarisch behandelt", so Thiel weiter. Betroffenen rät er zum Widerspruch. Meinung I