Herzkrank: Sachsen-Anhalt mit traurigem Spitzenplatz bei Sterblichkeit / Zu wenige Kardiologen Höchstes Sterberisiko im Osten
Wer in Sachsen-Anhalt herzkrank ist, hat ein höheres Risiko als in den alten Ländern daran zu versterben. Nach einer Studie der Deutschen Herzstiftung liegt Sachsen-Anhalt bei der Sterbeziffer an der Spitze in Deutschland. Verantwortlich dafür sind auch fehlende Kardiologen.
Magdeburg l Besteht für Herzkranke in Sachsen-Anhalt ein höheres Sterberisiko als in den alten Ländern? Die Zahlen des jüngsten, im Januar 2013 veröffentlichten "Herzbericht 2011" der "Deutschen Herzstiftung" lassen diesen Schluss zu: Danach nimmt Sachsen-Anhalt mit 378 Verstorbenen je 100000 Einwohner einen traurigen Spitzenplatz im Bundesvergleich ein. Die Bundesländer Bremen, Hamburg und Baden-Württemberg weisen dagegen im Deutschland-Vergleich die niedrigsten Sterbeziffern auf.
Höchster Wert im Landkreis Jerichower Land
Die Angaben (Datenbasis 2010) beziehen sich auf Verstorbene, die an Herzkrankheiten, darunter einem Infarkt, Rhythmusstörungen, Herzklappenkrankheiten und Herzschwäche litten. Der Bericht zeigt auch im Vergleich aller 412 Landkreise und kreisfreien Städte den Anteil der Herzinfarkt-Toten an allen Verstorbenen: Danach hat Rosenheim (Bayern) mit 3,2 Prozent Infarkt-Verstorbenen bundesweit den niedrigsten Wert. Die höchsten Anteile liegen im Jerichower Land mit 11,5 Prozent und im Landkreis Uckermark (Brandenburg) mit 12,6 Prozent. Bei der Infakt-Sterblichkeit (pro 100000 Einwohner) weist Sachsen-Anhalt mit 111 Einwohnern den höchsten Wert auf, gefolgt von Brandenburg (101) und Sachsen (96). In Hessen sterben 57 von 100000 Einwohnern an einem Infarkt, in Baden-Württemberg 59.
Für Professor Rüdiger Braun-Dullaeus von der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie der Magdeburger Universitätsklinik gibt es mehrere Gründe für die unverhältnismäßig hohe Herzinfarkt-Sterblichkeit im Osten. "Eine Rolle spielen sozioökonomische Faktoren wie Einkommen und Bildung, aber auch Prävention und der Zugang zur Medizin. Sie treffen auf alle Bundesländer zu, in Sachsen-Anhalt aber in ganz besonderem Maße." Entscheidend für die Senkung der Sterblichkeit seien aber die schnellstmögliche Behandlung bei einem Infarkt und eine gute Nachsorge. Nach den medizinischen Leitlinien sollten zwischen Erstkontakt beim Notarzt bis zur Öffnung der Gefäße im Krankenhaus nicht mehr als eineinhalb Stunden liegen. In der Realität werden es allerdings viereinhalb Stunden. "Viele Patienten kommen nicht schnell ins Krankenhaus, weil sie abwarten oder etwa die Symptome nicht richtig deuten. Hier ist also viel Aufklärung vonnöten."
Außerdem benötigt der Infarkt-Patient eine gute Nachsorge, um Folge-Infarkte zu verhindern. "In Sachsen-Anhalt gibt es aber zu wenige Kardiologen", so der Herzspezialist. Versorgt ein Kardiologie im Bundesdurchschnitt 28 000 Einwohner, sind es in Sachsen-Anhalt 39000. "Einen Termin beim Kardiologen in Magdeburg gibt es in sechs Monaten. Da kann der Patient in der Zwischenzeit bereits einen Infarkt erleiden."
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalts, die für die niedergelassenen Ärzte zuständig ist, gibt es zwischen Arendsee und Zeitz 60 kardiologische Fachärzte. Die Bedarfsplanung weist derzeit keine freien Sitze für Kardiologen aus.
Braun-Dullaeus nennt mehrere Ansätze, die Herzinfarkt-Sterblichkeit zu senken: Einerseits Arbeit, Bildung und Prävention, so dass es erst zu gar keinem Infarkt kommt. Dazu gehören die Vermeidung von Rauchen und Übergewicht ebenso wie mehr Bewegung. Dieser Ansatz zeige sich in der Statistik allerdings erst nach langer Zeit. Relativ schnell wirkt dagegen eine bessere Akutversorgung.
Modellvorhaben in Magdebrug und Halle
Die Landesregierung unterstützt zwei Modellvorhaben an den Universitätskliniken in Halle und Magdeburg. Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU): "Dagegen müssen wir im Interesse aller Sachsen-Anhalter etwas unternehmen." In Halle wird jetzt mit Landesförderung ein Herzinfarkt-Register aufgebaut, mit Daten von Patienten aus Halle und dem Altmarkkreis Salzwedel. Dabei geht es um Fragen, wie lange der Notarzt bis zum Infarkt-Patienten benötigt, wie hoch die Sterblichkeit 30 Tage und ein Jahr nach dem Infarkt ist, welche Risikofaktoren der Patient hatte und welche Anbindung an einen Facharzt besteht.
Am Magdeburger Universitätsklinikum geht es um eine bessere Vernetzung mit den Notärzten, um Akutpatienten schneller behandeln zu können und gleichzeitig ein verbessertes System der Nachsorge. Bei weiteren Beschwerden soll der Patient nach seiner Klinikentlassung per Telemedizin EKG-Daten an die Uniklinik übermitteln können, damit bei einem weiteren Infarkt schnell eingegriffen werden kann. Das Projekt soll im kommenden April starten.