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FKK Hüllenloser Badespaß

Vor 70 Jahren wurde der Deutsche Verband für Freikörperkultur gegründet. Gerade in der DDR wurde Nacktheit am See als Freiheit verstanden.

Von Bernd Kaufholz 29.07.2019, 01:01

Magdeburg l Wer von den Älteren hat die Folge von „Außenseiter Spitzenreiter“ vom 23. Dezember 1976 nicht noch vor Augen. Fernsehfunk-Moderator Hans-Joachim Wolle nur mit tragbarem Tonband bekleidet am Usedomer FKK-Strand. Umringt von Nackten, die das Weihnachtslied singen: „Morgen Kinder wird‘s was geben.“ Aufgenommen schon im Sommer des Jahres.

Die DDR und die Freikörperkultur gehörten einfach zusammen. Und es gab kaum eine Badegelegenheit im Land, wo es nicht textillos zur Sache ging.

Zu denjenigen, die schon vor der Deutschen Einheit hüllenlos ihre Freizeit genossen, gehören Sonja und Norbert Färber. „Wir sind seit 1978 mit Kind und Kegel immer zu den Gerwischer Seen gefahren“, erinnert sich die 65-Jährige. Dort war FKK angesagt. „Und die Liegewiesen und Zeltplätze rund ums Wasser waren im Sommer proppevoll.“ Manchmal hätten sich Hunderte von Menschen die Sonne auf den Bauch brennen lassen.

Aus der gesamten Umgebung, viele FKK-Freunde aus Magdeburg wie die Färbers, kannten den geduldeten Geheimtipp. Der Stamm seien rund 75 Familien gewesen.

Doch im Jahr 2002 seien die Seen „dichtgemacht“ worden. „Man hat uns die Zufahrt verweigert. Wochenlang standen Polizisten an der Brücke und passten auf, dass niemand zum Wasser fuhr. Ein Jahr später war es ganz aus mit der Freikörperkultur in Gerwisch. Viele haben sich ein anderes Fleckchen gesucht.“

Die Färbers fanden ihr neues Domizil in Barby (Salzlandkreis). Am dortigen Kiessee gründeten sie mit einigen Gleichgesinnten 2003 den Verein „FKK-Naturfreunde & Sportfischer e. V.“.

Heute verbringen dort viele Familien ihre Freizeit, die sich schon aus Gerwischer Zeiten kennen.

„Wir sind keine Hardliner und rennen auf unserem Gelände den ganzen Tag über nur nackt herum“ sagt Sonja Färber, deren Mann Vereinsvorsitzender ist. Sie selbst liebe das „Freie und Ungezwungene. Es ist doch etwas Schönes, eins mit der Natur zu sein.“

Auf der Internet-Seite des Vereins stellen die Mitglieder klar: „Naturismus hat überhaupt nichts mit Sexclubs und ähnlichen Einrichtungen zu tun, die den Begriff FKK gerne und fälschlicherweise missbrauchen. Echte Naturisten sind naturverbunden und umwelt-orientiert. Naturisten werfen keine Abfälle und Verpackungen in die Landschaft. Sie pflegen ihr Gelände und tragen Verantwortung zum Schutz von Pflanzen und Tieren. Echte Naturisten sind kinder- und familienfreundlich.“

Die Deutschen gelten als Nudismus-Weltmeister. Die Nackten vom Englischen Garten in München sind längst so berühmt, dass sie von Touristen aus Übersee bestaunt werden wie Tiere im Zoo.

Tatsächlich, sagt die Kulturwissenschaftlerin Maren Möhring von der Universität Leipzig, habe die Nacktkultur hierzulande eine lange Tradition. „In Deutschland und in Großbritannien hat sich relativ früh eine FKK-Szene entwickelt.“ Während der Nudismus auf der Insel eine Randerscheinung blieb, entstand in Deutschland eine Massenbewegung.

In der alten Bundesrepublik war FKK in der verknöcherten Ära Adenauer verpönt, wurde aber in der Hippie-Zeit immer beliebter. Die 70er Jahre waren eine Hochzeit für viele FKK-Vereine.

Die DDR hatte den Ruf eines „FKK-Mekkas“: Im Osten entwickelte sich Nacktbaden dort, unabhängig von Vereinen, ab den 60er Jahren zu einer Massenbewegung, die nach der Wende allerdings deutlich abebbte.