Anlagebetrug Hundert Opfer wollen ihr Geld zurück
Einem Harzer Paar wird ein Millionen-Betrug mit Geldanlagen vorgeworfen. Am Freitag begann gegen beide der Prozess in Magdeburg.
Magdeburg l Der große Gerichtssaal am Magdeburger Landgericht ist am Freitagmorgen voll besetzt. Viele der Zuschauer wollen demjenigen in die Augen sehen, der sie um Tausende Euro gebracht haben soll. Insgesamt gehen die Ermittler deutschlandweit von mehr als 200 Betroffenen aus, einige konnten namentlich aber nicht mehr bekannt gemacht werden. 94 treten als sogenannte Adhäsionskläger auf und fordern im Rahmen des Strafprozesses ihr Geld zurück. Falls überhaupt welches „gerettet“ werden kann. Auch das wird noch Gegenstand der nächsten 24 angesetzten Prozesstage gegen Henry K. (53) und seine Partnerin Kati A. (48) sein.
Der Magdeburger Handwerker Andreas Grabinski zum Beispiel hofft, wenigstens ein paar seiner verlorenen Einlagen wieder zu bekommen. Er ist wie alle anderen auf den angeklagten Betrug hereingefallen. Zu den Opfern zählen Apotheker, Ärzte, Polizisten und Gastronomen. Selbst Finanzmakler sind unter ihnen. Der 69-jährige Rentner Walter Scheidt aus Sangerhausen: „Sogar meine Bankberaterin meinte, das ist sauber.“
Auch den Magdeburger Handwerker hatte ein Finanzmakler auf das Anlagemodell „Direktinvest Plus“ gebracht.
Die damalige Wernigeröder Cashback GmbH des Angeklagten versprach eine angeblich „hundertprozentige Absicherung durch die Bank“. Die Mindesteinlage lag bei 5000 Euro. Das Geschäftsmodell sollte darin bestehen, kreditbedürftigen mittelständischen Unternehmen für eine Laufzeit von vier Wochen Kapital per Lastschrift zur Verfügung zu stellen. Angeblich.
Für den Handwerker klang es plausibel, zumal auch der Makler selbst von dem Modell überzeugt war. Und: Nachdem der Magdeburger zunächst 6000 Euro plus einigen Euro Agio (ein Aufschlag) im Juni 2013 eingezahlt hat, erhielt er auch wie versprochen ein halbes Jahr lang pünktlich die monatlichen zwei Prozent Zinsen aus der Geldanlage überwiesen. Auf ein Jahr bezogen wären das 24 Prozent Zinsen gewesen – eine satte Geldanlage.
Vermutet wird später, dass der Angeklagte aus den frischen Einlagen nach dem Schneeballprinzip das Geld ausgezahlt hat. „Weil alles funktionierte, haben wir ein halbes Jahr später noch einmal eine etwas größere Summe nachgeschoben“, sagt er. Doch im Mai 2014 ist Schluss. Mit blassem Gesicht habe ihm sein Makler gesagt, dass sie einem Schwindel aufgesessen wären. Das vermutete Schneeballsystem von Henry K. ist in sich zusammengefallen, als er am 31. Mai 2014 durch Zielfahnder des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt vor einem Spielkasino im österreichischen Bregenz wegen eines ganz anderen Betrugsfalls festgenommen wurde.
Henry K. agierte vermutlich schon seit 2012 aus dem Ausland, unter anderem Zypern, weil die Staatsanwaltschaft Magdeburg nach ihm in anderer Betrugssache schon damals per Haftbefehl suchte. Er hatte in den Jahren 2010 bis 2011 mindestens 32 Rentner im Harz um ihr Geld gebracht und so sich rund 80.000 Euro ergaunert. Dafür wurde er am 2. September 2015 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seither sitzt er in der Justizvollzugsanstalt Burg ein.
Seine Partnerin Kati A. hingegen ist weiter auf freiem Fuß. Sie soll laut Staatsanwältin Ina Wagner in 566 Fällen einen Gesamtbetrag von einer halben Million Euro auf Schweizer Konten und einem deutschen Konto überwiesen oder sich Geld in bar abgeholt haben. Dies, obwohl die Angeklagte Kati A. wusste, dass die Gelder aus dem betrügerischen Anlagemodell stammten. Sie habe auch Zahlungen auf von ihr eingerichteten Konten vom Mitangeklagten erhalten. Der Harzerin wird deshalb gewerbsmäßige Geldwäsche vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die Anlage ein riesiger Bluff und die Bankgeschäfte nicht genehmigt waren. Ina Wagner: „Beide haben sich so nicht nur vorübergehend eine nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle erschlossen.“
Henry K. wird gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Er soll insgesamt 1,9 Millionen Euro mit seiner Anlage eingenommen und 1,4 Millionen Euro auf andere Konten weitergeleitet, bar abgehoben oder für eigene Zwecke verwendet haben.
Die Verhandlung wird am 16. August fortgesetzt.