Zielfahnder erhielten bisher 63 Hinweise aus dem ganzen Bundesgebiet / Heiße Spur vom flüchtigen Silvio Titsch war bisher aber nicht dabei Justizpanne um Schwerverbrecher schlägt Wellen bis in die Politik
Magdeburg l Insgesamt gehen die Zielfahnder des Landeskriminalamtes rund 63 Hinweisen aus der Bevölkerung zum gesuchten Schwerverbrecher Silvio Titsch nach. Der 36-Jährige aus der Haftanstalt Burg (Jerichower Land) hatte am 14. August seine beiden ihn bewachenden Justizbeamten bei einem Besuch seines Sohnes in Aschersleben (Salzlandkreis) ausgetrickst und die Flucht ergriffen.
Stefan Brodtrück, Sprecher des Landeskriminalamtes: "Eine heiße Spur war aber noch nicht dabei." Die meisten Hinweise seien mutmaßliche Sichtungen des Flüchtigen.
Zurzeit werde nicht ausgeschlossen, dass sich Titsch auch außerhalb der Region Aschersleben aufhält. Konkrete Hinweise gebe es aber nicht.
Indes schlägt die Justizpanne Wellen bis in die Landespolitik. Gegen die bewachenden Beamten, die sich von Silvio Titsch austricksen und in der Wohnung einschließen lassen haben, wurde bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet.
Ralf Wunschinski (CDU), Vorsitzender des Rechtsausschusses im Landtag: "Man muss ja zunächst erst einmal die Frage stellen, was die Ausgänge so früh bei dieser langen Zeit des Absitzens bis 2024 mit anschließender Sicherungsverwahrung überhaupt sollten? Das Ministerium sollte dies lückenlos aufklären und in der nächsten Ausschusssitzung darüber berichten." Für seine Fraktion sei es grundsätzlich vorstellbar, zukünftig auch bei Vollzugslockerungen zum Schutz der Allgemeinheit eine elektronische Aufenthaltsüberwachung anzuordnen. Ronald Brachmann, justizpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion: "Der Vorfall muss intensiv aufgeklärt werden. Es ist unstrittig, dass Resozialisierungsmaßnahmen sein müssen. Ob allerdings begleitete Freigänge bei Tätern wie Herrn Titsch so weit vor dem Ende der Haftstrafe beginnen müssen, ist für mich aber mit einem großen Fragezeichen zu versehen." Was den Einsatz von elektronischen Fußfesseln betreffe, sei Brachmann eher skeptisch. Zum einen sei fraglich, wie sicher die Technik überhaupt ist. "Zum anderen sollte man Gefangenen, die auf ihre Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet werden, nicht generell misstrauen."
In dem Fall scheine auch aus Sicht der Linken-Landtagsfraktion "so ziemlich alles schief- gegangen zu sein, was schief- gehen kann". Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Angelika Klein meinte weiter: "Auch wir erwarten vom Justizministerium Antworten. Eine elektronische Fußfessel lehnen wir aber weiter ab. Sie würde möglicherweise die Suche nach dem Aufenthaltsort erleichtern, die Flucht hätte sie aber nicht verhindert." Entscheidend sei aus ihrer Sicht eine "qualitative Ausgestaltung des Strafvollzuges". Mit der Schließung von Strafvollzugsanstalten und immer weniger Personal sei es jedenfalls nicht getan.
Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert: "Das Justizministerium muss nun analysieren, ob die Einschätzungen im Fall Titsch alle gerechtfertigt waren. Das Vertrauen in den Strafvollzug muss wieder hergestellt werden." Der Fall dürfe nicht dazu dienen, Resozialisierungsbemühungen unter Generalverdacht zu stellen. Seite 5