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Kammer streitet mit Arzt seit fünf Jahren

Von Wolfgang Biermann und Oliver Schlicht 03.05.2013, 04:51

Stendal. Im Berufungsverfahren gegen den Havelberger Zahnarzt Thorsten S. widersprach am Donnerstag die betroffene Patientin, sie sei über die Möglichkeit des Ziehens von elf Zähnen im Vorfeld der Operation unterrichtet gewesen. "Ich habe nur gewusst, dass ein Brückenzahn kariös und ein weiterer gebrochen war. Beides sollte gerichtet werden", so die Frau. Aus Angst vor Schmerzen habe sie sich von ihrer behandelnden Zahnärztin zum Angeklagten überweisen lassen. "Ich hatte gehört, dass er unter Vollnarkose arbeitet."

Zwei Monate vor der Operation sei sie beim Besprechungstermin beim Zahnarzt sehr aufgeregt gewesen. Vom Ziehen der elf Zähne sei aber nie die Rede gewesen, sondern zunächst von zwei, maximal vier Zähnen. Sie habe sich beim Unterzeichnen des Aufklärungsbogens unter Zeitdruck gesetzt gefühlt. Das sei alles nur Formsache - "für die Akten", habe ihr Thorsten S. gesagt. Gleichwohl habe sie damals Vertrauen zum Angeklagten gehabt.

Die Patientin hatte sich nach der Operation auch zunächst damit abgefunden, dass elf Zähne gezogen wurden. Dass es sich um eine fehlerhafte Zahnbehandlung gehandelt habe, kam wenige Monate später zum Vorschein. Wegen eines "Loches" in der Wand zwischen Nasen- und Kieferbereich suchte sie einen anderen Zahnarzt auf - Dr. Frank Dreihaupt, im "Nebenberuf" auch Präsident der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt.

Der schaltete Ende 2010 die Zahnärztekammer und einen Gutachter ein. Die Frau erstattete Strafanzeige. Nach ihrer Aussage vor Gericht gestern hat sie rund 14000 Euro von etwa 22000 Euro Zahnarztkosten gezahlt, die restlichen 8000 Euro nicht. Von der Versicherung des Zahnarztes habe sie 10000 Euro erstattet bekommen. Er selbst habe ihr nach einem Zivilprozess weitere 7000 Euro zurückzahlen wollen. Davon habe sie bislang aber keinen Cent erhalten.

"Es kann eigentlich keineUnklarheiten geben"

Zahnärztekammerpräsident Frank Dreihaupt sagte gestern, dass die Auseinandersetzung mit dem Zahnarzt um die Aberkennung seiner Zulassung bereits etwa fünf Jahre dauere. "Es gab in Sachsen-Anhalt bisher nur einen Fall, dass ein Zahnarzt seine Zulassung verliert. Das ist auch bundesweit die große Ausnahme." Die Kammer beantragt in der Regel den Entzug der Approbation, das Landesverwaltungsamt prüft und folgt gegebenenfalls diesem Antrag.

Der Patient müsse vor einer Operation genau darüber informiert werden, was gemacht wird und was nicht. "Und er muss das in einem schriftlichen Protokoll bestätigen. Da kann es eigentlich keine Unklarheiten zwischen Arzt und Patient geben", so der Zahnärztekammer-Präsident.

Die Berufungskammer am Landgericht Stendal unter Vorsitz von Richter Gundolf Rüge hat vier Verhandlungstage angesetzt. Mit dabei sind als Gutachter Dr. Jürgen Setz, Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, und Dr. Johannes Schubert von der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, beide von der Universitätsklinik in Halle.

Das Amtsgericht Stendal hatte den dreifach vorbestraften Zahnarzt am 5. November 2012 wegen Körperverletzung zu 15 Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt und dazu gemäß Paragraf 70 StGB ein zweijähriges Berufsverbot verhängt. Abzuwarten bleibt, ob das Landgericht nun dieses Urteil bestätigt.