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Philatelie Kaum Briefmarken-Fans in Sachsen-Anhalt

Den Landesverband der Briefmarkensammler Sachsen-Anhalt gibt es nicht mehr. Der Grund: Akuter Mitgliederschwund.

Von Bernd Kaufholz 14.02.2018, 00:01

Genthin l Die teuerste Briefmarke der DDR? Hartmut Rodius greift zum „Michel-Katalog“. „Das ist die Bibel der Briefmarkensammler“, blättert er darin. Doch bevor er die passende Abbildung gefunden hat, sagt er: „DDR-Marken sind insgesamt nicht so preisintensiv. Es gibt einfach noch zu viele davon.“

Dann tippt er auf eine grüne 25-Pfennig-Marke, die Rudolf Virchow zeigt – 1962 gedruckt – in einer Serie mit anderen deutschen Köpfen.

Rodius, der seit 1990 im Jerichower Land Vorsitzender des Briefmarkensammelvereins Genthin ist, weiß, warum die Marke im Katalog mit 600 Euro ausgezeichnet ist. „Damals kostete ein Brief 24 Pfennige, eine Karte 12. Der Nennwert war also ungewöhnlich und passte irgendwie nicht.“ Außerdem sei sie gestempelt nicht oft ausgeliefert worden.

Die teuerste DDR-Briefmarke dürfte allerdings die Marke „DDR Dienst Mi.Nr. A22IXI**“ sein. Ihr Katalogpreis liegt heute bei 1000 Euro.

Doch als Geldanlage komme das Briefmarkensammeln in unseren Breiten schon länger nicht mehr infrage. „Die Preise sind im Keller. Ich werde oft bei Haushaltsauflösungen angesprochen: „Du, der Opa hatte Alben im Schrank. Bringen die Marken etwas?“ Doch kaum ein Händler wolle noch zugreifen. Es sei denn, die Marken sind „postfrisch und gut gummiert“. Dann könne man für komplette Sammlungen „DDR 1949–1990“ noch um die 3000 Euro bekommen. Aber meistens sage ich den Erben: „Nehmen Sie die Alben und machen Sie sich einen schönen, warmen Abend am Ofen.“

Immer weniger Menschen sammeln Postwertzeichen, weiß der 64-Jährige. „Nachwuchs gleich null. Und es gibt auch kaum noch Jugendvereine. Unsere Mitglieder sind zwischen 60 und 90 Jahre alt.“ Der Genthiner Verein habe sich riesig gefreut, dass seit längerer Zeit erstmals wieder ein Briefmarkenfreund eingetreten ist – selbst, wenn der Sammler auch schon 62 Jahre alt ist.

Ende Dezember 2017 hat der Landesverband „die Reißleine gezogen“, sagt Rodius. „In Sachsen-Anhalt gab es nur noch 450 Mitglieder. Der organisatorische Aufwand hat sich nicht mehr gelohnt.“

Das ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal für unser Bundesland. Deutschlandweit ging die Zahl der organisierten Sammler seit 2014 von 37.000 auf 32.500 zurück.

Nicht nur die Sachsen-Anhalter, auch die Sachsen gehören seit Anfang des Jahres nun zum Landesverband Berlin-Brandenburg. „Eigentlich wollten die Thüringen der Dritte im Bunde sein. Aber eine Mitgliederbefragung hat sich dagegen ausgesprochen“, sagt Rodius. Einige Vereine aus Sachsen-Anhalt hätten sich im Zuge dieser Entscheidung Thüringen angeschlossen.

2019 soll es eine Umbenennung des Landesverbandes Berlin-Brandenburg geben. „Es läuft wohl auf den Namen ,Briefmarkenverband Mitteldeutschland‘ hinaus.“

Zu DDR-Zeiten habe fast jeder Junge ein Briefmarkenalbum gehabt – „da wurde hin und her getauscht“. Er selbst sei „briefmarkentechnisch vorbelastet“ gewesen. „Mein Opa war 1945 bis 1960 Postdirektor in Genthin, und ich bin in der Dienstwohnung der Post aufgewachsen.“ Mit fünf Jahren habe er mit dem Sammeln begonnen. „Klar, bei dem Opa, der saß doch an der Quelle.“

Solche Raritäten wie den „Pappchinesen“ habe er allerdings nie besessen. Aber natürlich kennt er die Geschichte der 20-Pfennig-Marke ganz genau. „Sie kam am 7. November 1958 heraus – zum 40. Jahrestag der Novemberrevolution. Allerdings gefiel den DDR-Oberen die Darstellung nicht. Zum einen, weil der NVA-Soldat ,Schlitzaugen‘ hatte.“ Und zum anderen, aufgrund der verunglückten Darstellung. Es sieht so aus, als ob der Mann im Hintergrund dem Soldaten mit dem Gewehr in den Hinterkopf schießt. „Die Briefmarke wurde fünf Stunden nach ihrer Herausgabe um 10 Uhr zurückgezogen. Gestempelt ist sie rund 60 Euro wert.“

In der Gechichte zu einer weiteren kuriosen DDR-Marke spielt der zweite sowjetische Kosmonaut, der in den Weltraum geflogen war, die Hauptrolle.

Abgebildet auf der 40-Pfennig-Marke ist German Titow, der mit Ulbricht 1961 im offenen Wagen winkend auf der Straße Unter den Linden in Berlin entlangfährt.

Das Besondere an der Marke kann man nur mit einer Lupe erkennen: Auf der Handfläche Titows hat jemand kurz bevor die Marke in den Druck gegangen war, ein kleines, schwarzes Hakenkreuz eingeritzt. Das war den Prüfern entgangen.

Es heißt, dass der „Verschwörer“ nach seiner Tat in den Westen geflüchtet sei. Die Marke, die fortan in der DDR „Schlimmer Finger“ hieß, war wie der „Pappchinese“ aus dem Verkehr gezogen und eingestampft worden.

Einige, von der Post der DDR gestempelte, sind dennoch in den Umlauf gekommen.

Die erste DDR-Marke war blau und dem Jubiläum „75 Jahre Weltpostverein“ gewidmet. Zwischen dem Erscheinungstag, 48 Stunden nach Gründung der DDR, und der letzten Marke, einen Tag vor Ende der Republik, lagen 41 Jahre. Die letzte war dem Troja-Entdecker Heinrich Schliemann gewidmet.

Hartmut Rodius lüftet so ganz nebenbei das „Geheimnis“, warum zu DDR-Zeiten so viele Menschen im Kulturbund waren. „Das lag daran, dass organisiertes Briefmarkensammeln nur unter dem Dach dieses Bundes möglich war.“ Und dieses organisierte Sammeln sei wiederum die Voraussetzung dafür gewesen, auch mit ausländischen Philatelisten ins Geschäft zu kommen.

Argwöhnisch beäugt worden seien Briefmarken aus Deutschland zwischen 1933 und 1945. „Man durfte sie zwar besitzen“, weiß Rodius, „aber weder tauschen noch verkaufen.“ Die Sammler seien mit dem „Dritte-Reich-Marken“ dementsprechen vorsichtig umgegangend.

„Sehr beliebt waren BRD und Westberlin als eigenständiges Briefmarkengebiet“, sagt der Vereinsvorsitzende. „Allerdings war das Tauschen mit den Sammlern dort nicht einfach.“

Die DDR-Marken, die in den Westen gehen sollten, wurden vom Beauftragten für Auslandstausch gesichtet. Dann prüfte der Zoll in Schönebeck – sowohl Postwertzeichen die rausgingen, als auch die Marken die hereinkamen. Und ohne Auslandstauschmarke sei gar nichts gegangen. Der Tauschwert für den Westen sei auf einen Katalogwert von 300 DDR-Mark pro Jahr begrenzt gewesen. „Deshalb meldeten viele Sammler kurzerhand ihre Ehefrauen im Kulturbund an. Das verdoppelte das Budget.“

Als Gründungsdatum des Genthiner Vereins legten die Mitglieder den 28. Februar 1946 fest. „Eine offizielle Gründungsurkunde haben wir nicht gefunden“, erzählt Rodius, „aber einige Mitgliedskarten. Die älteste gehört zu Eduard Rendler, der genau an diesem besagten Tag in unseren Verein eingetreten ist.“

Lesen Sie hier Wissenswertes über die teuersten Briefmarken der Welt.