Corona-Krise Keding gegen Straftverfolgung von Fake News
Was tun gegen Fake News in Zeiten der Corona-Krise? Ein Interview mit Justizministerin Anne-Marie Keding.
Magdeburg l Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding erklärt im Gespräch mit Redakteurin Maria Kurth, weshalb sie im Kampf gegen Fake News eher Aufklärung statt Verbote befürwortet.
Volksstimme: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius fordert im „Spiegel“ Sanktionen gegen die Verbreitung von Fake News im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Was halten Sie von dieser Forderung?
Justizministerin Anne-Marie Keding: Ich halte es für falsch, jetzt noch einen zusätzlichen Straftatbestand für Fake News einzuführen. Wer soll feststellen, was wirklich eine bewusste Falschinformation oder nur eine falsch verstandene Information ist? Das wäre praktisch kaum umsetzbar. Zudem haben wir schon mehrere Straftatbestände, wie zum Beispiel Verleumdung und Volksverhetzung, sowie viele andere Möglichkeiten, um zu reagieren.
Die meisten Fake News verbreiten sich in sozialen Medien. Die sind aber nach dem Netzwerkdurchsuchungsgesetz nicht verpflichtet, bloße Fake News zu löschen. Was also tun?
Dann müssten diese sozialen Netzwerke endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Wenn ich ein Schwarzes Brett im Justizministerium aushänge, bin ich auch dafür verantwortlich, was dort darauf steht. Das Gleiche gilt für Netzwerkbetreiber, die zum Beispiel den Zugang zu den Netzwerken nicht mehr so anonym ermöglichen dürfen, wie es aktuell noch der Fall ist. Social Bots sind die andere Seite, die Fake News kolportieren, und allein durch die Wiederholung neigen Nutzer irgendwann dazu, Falschmeldungen als wahr anzusehen. Die Vermischung von Fake News und Social Bots halte ich für eine große Gefahr.
Also tragen Großunternehmen wie Facebook eine Hauptverantwortung?
Nein, denn natürlich trägt auch jeder Einzelne dafür die Verantwortung, nichts in die Welt zu setzen, was er selber nicht für wahr und nachvollziehbar hält. Wir müssen dagegen angehen, indem wir die Menschen immer wieder dazu auffordern, zu überlegen, wo eine Information herkommt. Ich verweise auf etablierte Medien, große Tageszeitungen und vor allem öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Die Verbreitung von gut recherchierten Informationen ist ein Grund, weshalb wir die betreiben. Dennoch hat der Netzwerkbetreiber eine große Verantwortung.
Birgt die Corona-Epidemie aufgrund der Informationsfülle eine besondere Gefahr, wenn es um den Umgang mit Nachrichten geht?
Wenn es, wie aktuell beim Coronavirus, eine Informationsflut gibt und der Einzelne sehr viele Meldungen täglich zur Verfügung gestellt bekommt, besteht darin durchaus eine Gefahr, an Falschmeldungen zu geraten. Ich stimme hier der Bundesjustizministerin zu, die an das gesunde Misstrauen des Einzelnen appelliert. Ich kann nur jeden auffordern, seinen Verstand einzuschalten.