Streit Krisenstimmung in Kenia-Koalition
Es knirscht gewaltig im Gebälk der Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt. Die Fronten sind verhärtet, der Ton wird rauer.
Magdeburg l Innerhalb der schwarz-rot-grünen Koalition ist das Klima erheblich belastet. Die zweitägige Landtagssitzung hat am Donnerstag und Freitag vor Augen geführt, dass die Kenia-Partner gleich in mehreren Punkten zerstritten sind. Die ersten Vertreter der Parteien warnen vor einem Bruch der Koalition. Diese Themen sorgen aktuell für Ärger:
Kinderbetreuung: SPD und Grüne sind sauer auf die CDU. Bei der Abstimmung zum Kinderförderungsgesetz am Donnerstagabend haben sechs Abgeordnete der Union dem gemeinsamen Gesetzentwurf die Zustimmung verweigert. SPD-Landeschef Burkhard Lischka reagierte am Freitag verärgert. „Eine Landesregierung ist auf Verlässlichkeit und Stabilität angewiesen“, sagte er. „Wenn jetzt zum wiederholten Male innerhalb kurze Zeit Teile der CDU-Fraktion aus der Reihe tanzen, brechen sie damit nicht nur bewusst den Koalitionsvertrag, sie gefährden damit auch den Fortbestand dieses Regierungsbündnisses.“
Auch Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann teilte aus: „Die CDU-Fraktion zeigt Tendenzen, zum Unruhefaktor der Koalition zu werden.“
Eigentlich hat die Koalition verabredet, den Kommunen 30,6 Millionen Euro zusätzlich zu überweisen, damit diese die Eltern-Beiträge stabil halten können. Den CDU-Finanzern ist die Kinderbetreuung mit 330 Millionen Euro jährlich jedoch schon jetzt zu teuer. „Wir tragen das so nicht mit. Es gibt noch viel Redebedarf im Finanzausschuss“, sagte Abgeordneter Guido Heuer (CDU), der gegen das Gesetz gestimmt hat. „Ich verstehe die Empörung nicht. Ich habe angekündigt, dass ich damit nicht zufrieden bin.“ CDU-Generalsekretär Sven Schulze nimmt die Abweichler in Schutz. „Es geht nicht, dass wir immer mehr Geld in ein System pumpen, mit dem niemand zufrieden ist“, sagte er. „Das wird bei den Details noch Stress geben.“
Die CDU-Fraktion will nun Ende November in Klausur zum Kinderförderungsgesetz gehen. Fraktionschef Siegfried Borgwardt fordert von SPD und Grünen „Kompromissbereitschaft“. Es wäre für die Koalition „existentiell gefährdend“, wenn das Gesetz so bliebe wie bisher. „Das wäre nicht akzeptabel für uns“, so Borgwardt.
Aus Verärgerung über die CDU revanchierte sich wiederum die SPD: Bei einer Abstimmung zum Schulgesetz stimmten drei Abgeordnete aus Gnatz gegen das gemeinsame Schulgesetz, das aus dem CDU-geführten Bildungsministerium kommt.
Innere Sicherheit: In der Debatte um eine Hausbesetzung in Halle kam es am Freitag zu einem heftigen Streit zwischen dem Grünen-Abgeordneten Sebastian Striegel und CDU-Politikern. Striegel hatte die Hausbesetzung von Linken verteidigt mit den Worten: „Eine Tat, die illegal ist, kann trotzdem legitim sein.“
Wütende Proteste kamen vom Koalitionspartner CDU und der AfD. Ex-Landtagspräsident Detlef Gürth (CDU) erregte sich: „Sie verteidigen als Rechtspolitker Rechtsbruch. Sie nehmen den Spaten in die Hand, mit dem man die Grube für den Rechtsstaat ausheben kann.“ Frank Scheurell (CDU) fragte Striegel, was ihm das Recht gebe, „Unrecht zu Recht machen zu wollen“. Sollte er alles tatsächlich so meinen, wäre er „eine Fehlbesetzung“.
Bildungspolitik: Hier schaltet die CDU auf Angriff. Abgeordnete Eva Feußner attackierte am Donnerstag Angela Kolb-Janssen, die bildungspolitische Sprecherin der SPD: „Finden Sie das nicht makaber, wie Sie sich hier hinstellen?“, fragte Feußner Kolb-Janssen nach deren Rede. Kolb-Janssen hatte Bildungsminister Marco Tullner (CDU) zuvor vorgeworfen, sich nicht genügend für mehr Personal in den Schulen einzusetzen. „Sie haben als Justizministerin mit am Kabinettstisch gesessen, warum haben Sie da nicht für mehr Personal gekämpft?“, fragte Feußner. Die Verhältnisse jetzt so zu bewerten, sei mehr als dreist.
Lehrereinstellung: Handfeste Auseinandersetzungen gibt es auch innerhalb der CDU: Bildungsminister Marco Tullner habe Finanzmininister André Schröder am Freitag im Landtag als „Kameradenschwein“ betitelt, berichten Zeugen. Anlass war die Landtagsdebatte zum Anliegen einer Volksinitiative, schnellstmöglich 1000 Lehrer zusätzlich einzustellen. Der Zeitplan sei „unrealistisch“, hatte Tullner am Donnerstag vorm Plenum gesagt. Begründung: „Ich bin an den Haushalt gebunden.“
Aus dem von André Schröder geführten Finanzministerium kamen kurz darauf Angaben, die dem offen widersprachen. Demnach könnte das Bildungsressort noch 2017 problemlos 340 zusätzliche Stellen ausschreiben. Der Streit mündete in ein Krisengespräch mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Freitagmittag. Der Bildungsminister dementierte die Zahlen des Finanzministeriums anschließend. Diese seien „nicht korrekt“. Schröder zeigte sich nach dem Gespräch um Einigkeit bemüht: „Über die Zahlenbasis sind wir im Austausch“, sagte er.
Bereits in den vergangenen Monaten hatte es heftig in der Koalition gekracht. Auch beim Seilbahnstreit in Schierke, beim Umgang mit dem Wolf und der Haltung zu einer Linksextremismus-Kommission liegen die drei Partner über Kreuz.