Kulinarische Sterne Gaumenkitzler aus Sachsen-Anhalt
Zum 3. Mal werden die kulinarischen Sterne Sachsen-Anhalts vergeben. 20 eingereichte regionale „Geschmacksbomben“ erhalten die Auszeichnung.
Magdeburg l Nebenan in den Ställen ruft es laut und vielstimmig „määähhh“. 250 Lacaune-Mutterschafe warten darauf, gemolken zu werden. – 365 Tage im Jahr. Was aus der Milch wird, steht auf einer kleinen Tafel vor dem Lindauer Hofladen von Antonius de Vries und seiner Ehefrau Anett, der Käsemeisterin: „mmh ... Käse“.
Im Verkaufsraum liegen sie, die Laibe: 500 Gramm, 2,5 beziehungsweise 5 Kilogramm schwer. Aus sechs Litern Schafsmilch wird ein Kilo Käse.
Anett de Vries ist gelernte Bankkauffrau. Die Käseherstellung hat sie sich nach und nach selbst beigebracht: „Learning by doing“, sagt sie und erzählt, wie sie auf die Milchveredelung gekommen ist. „Nachdem wir uns Mitte der 2000er Jahre entschlossen hatten, etwas mit Tieren zu machen, haben wir erst an Ziegen gedacht, doch letztlich für Schafe entschieden. Wir hatten uns umgehört und eine Marktlücke entdeckt. Denn damals gab es keinen Betrieb, der Schafsmilch verarbeitete. Heute ist der nächste bei Berlin.“
Die Idee für die Schafsmilchkäserei in Lindau bei Zerbst war geboren. „Es sollte etwas Regionales sein – vom Schaf über die Käserei direkt ins Regal.“ Eine Bekannte aus der Altmark, die sich auskannte, half der Anfängerin bei den ersten Schritten. Und der Verband für handwerkliche Milchverarbeitung griff dem Käseneuling ebenfalls unter die Arme. „Ich konnte misslungene Stücke einschicken, die wurden dort analysiert, und ich habe so erfahren, was ich falsch gemacht habe.“
Zum ausgezeichneten Käse sagt Anett de Vries: „Mit grünem Pfeffer kennt jeder. Ich habe dann den roten probiert und festgestellt, dass er geschmacklich am besten mit der etwas süßlichen Schafsmilch harmoniert.“ Grün raus, rot rein!, sei die Devise gewesen. Mit Erfolg, wie der Stern beweist. Übrigens der zweite nach der Auszeichnung für den Pecorino 2018. „Übrigens: Der echte italienische Pecorino wurde von jeher aus Schafsmilch hergestellt“, weiß die Expertin. „Heute kauft man oft die Billigvariante aus Kuh- oder Ziegenmilch.“
Das Angebot der Käserei beschränkt sich allerdings nicht nur auf den Rotpfefferkäse. Auch Camembert, Joghurt, Fleisch- und Wurstwaren vom Schaf sowie Seife aus Schafsmilch werden angeboten.
Vor dem Lädchen steht ein Verkaufsmobil. „Da fehlt eigentlich ein Stern drauf“, überlegt Antonius de Vries, der 1992 aus Nibbixwoud bei Amsterdam nach Anhalt kam, laut.
Seit Montag können es gern auch zwei sein.
Wer die Fallstein-Destillerie im Harzer Rohrsheim besucht, wird schnell eines Besseren belehrt, was zwei Vorurteile betrifft, die da sind: Whisky kann man nur im Kilt herstellen und das edle Gersten-Destillat schmeckt nur, wenn es aus Schottland kommt. „Carls“, ein Singlemalt aus dem Harz hat Zunge und Gaumen der Sterne-Juroren gekitzelt. Das Ergebnis: Platz 1 in der Kategorie Brände.
Hans-Günter Demmel hat mehrere wirtschaftliche Standbeine. Zum einen seine Landwirtschaft, die alles wachsen lässt, was Demmel & Cie für die Veredelung dieser Produkte benötigt. Hinzu kommen Streuobstwiesen sowie Wildkirschen und Holunder. Daraus entstehen Fruchtaufstriche wie Holunderblüte, Apfel/Wein, Quitte und Pflaumenmus.
Doch auch Hochprozentiges verlässt die Manufaktur. Die Bio-Edelobstbrände sind inzwischen mehr als ein Geheimtipp.
Die Produkt-Liste ließe sich weiter verlängern. Kein Wunder, dass der 79-Jährige, der in Wahlbeck/Aller, einem Ortsteil von Oebisfelde-Weferlingen, aufwuchs, 1992 in Vogeldorf mit der Landwirtschaft begann und zehn Jahre später seinen Betrieb in Rohrsheim bei Osterwieck aufbaute, gleich je drei Produkte bei der Agrarmarketing-Gesellschaft Sachsen-Anhalts einreichte: Bio-Walnuss-Likör, Gänseschmalz von „Naturland“ und Carls Whisky, Tommys Gin sowie Theos Korn.
Warum der Single Malt „Carls“ heißt, ist ganz einfach. „Mein Urgroßvater hieß Carl“, sagt Demmel.
Unter der Brennerei befindet sich der Fasskeller. „Bei uns ist alles Bio“, so der rührige Firmenchef und er gibt einen kleinen Exkurs in die hohe Kunst der Whisky-Herstellung. „Wir geben kein Torf oder Teerklumpen in die Maische, damit er seinen typischen rauchigen Geschmack bekommt. Unser Whisky, aus eigenem Gerstenanbau und spezielle Malzrezepturen, zieht sein Aroma einzig und allein aus den Fässern“, zeigt er auf die Holzbehälter. „Einst reifte darin unter anderem Burgunder, Bordeaux, Silvaner und in den ganz alten Sherry.
Einen ganzen Sack voll Auszeichnungen, Medaillen und andere Anerkennungen kann der Betrieb vorweisen – unter anderem aus den USA, den SIP-Awards, einen internationalen Wettbewerb für Spirituosen, bei dem Verbraucher blindverkosten. „Tommys Gin erhielt Doppelgold, Carls Single Malt Silber Carls Double Grain und Theos Korn je Bronze“, ist Demmel stolz.
„Catsup“ steht auf dem Etikett der 200-Milliliter-Flasche im Regal des Verkaufsraums der „Erhalt durch Genuss GmbH“ in der Olvenstedter Straße in Magdeburg.
„Catsup“ gleich Ketchup? „Um Himmels Willen, nein“, sagt Mitgesellschafter Ole von Bosse. „Na klar, ist es auch eine Gewürzsoße auf Tomaten-Basis. Aber unsere hat deutlich weniger Zucker, Apfelessig macht sie bekömmlicher und die besondere Note kommt vom Ingwer.“
Auch die Juroren sahen das so und vergaben für „Catsup“, ohne Konservierungs- und Streckmittel hergestellt, den Feinkost-Konserven-Stern.
Und warum „Catsup“?
Von Bosse, der Namenserfinder, erklärt: „In den amerikanischen Südstaaten nennt man die rote Soße so. Mich hat das Steubendenkmal in Magdeburg inspiriert. Der General hat während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, Ende des 18. Jahrhunderts in der Kontinentalarmee gekämpft und hielt sich längere Zeit im Süden auf. Es ist eine Verbeugung vor dem gebürtigen Magdeburger.“
Im vergangenen Jahr habe sich ihre GmbH das erste Mal am Sterne-Wettbewerb beteiligt, so Geschäftsführerin Doreen Kröckel. „Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das ein Essig-Hersteller für sich entschieden hatte. Weil es so knapp ausgegangen war, haben wir uns das zweite Mal mit ,Catsup‘ beworben.
„Hiesig und lecker“, lautet der Wahlspruch der kleinen Firma, was für alle Produkte gilt, darunter auch das nachgefragte Pesto und der selbstgemachte „Eierloker“. „Wir haben uns vorgenommen, Produkte aus einem Umkreis von nicht mehr als 120 Kilometern zu verwenden – vorrangig aus Sachsen-Anhalt. Allerdings gelingt das nicht immer“, räumt von Bosse ein. „Wenn Agrarprodukte aus Brandenburg oder Sachsen kommen, machen wir daraus kein Geheimnis. Transparenz kommt bei unseren Kunden gut an. Sie wissen, dass sie bei uns ohne Sorge einkaufen können.“
Zurzeit verhandeln Kröckel und von Bosse in Kühlungsborn mit Sternekoch Tillmann Hahn. „Uns schwebt vor, alte Rezepte für Gewürzpasten wiederzubeleben“, so von Bosse. „An der Ostsee wollen wir ein zweites Geschäft eröffnen.“
Hier geht es zur Übersicht der Gewinner der kulinarischen Sterne 2019.