Kulinarischer Stern Schlemmerland Sachsen-Anhalt
Das Land zeichnet zum zweiten Mal Spezialitäten aus der Sachsen-Anhalt aus.
Magdeburg l Frankreich mag stolz auf seine Haute Cuisine sein, Sachsen-Anhalt hat dafür den „Kulinarischen Stern". Zum zweiten Mal hat das Land bei einer Gala am Dienstag seine leckersten Produkte prämiert. In 15 Kategorien gewannen Spezialitäten wie Wildkräuterschinken aus dem Harz oder Roggenbrot aus der Altmark. Die Auszeichnung übernahmen Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne). Die Volksstimme stellt fünf Sieger aus dem Norden von Sachsen-Anhalt vor.
Unschlagbare Bäckerinnen
Sind Frauen die besseren Bäcker? Man könnte es vermuten. Das beste Brot Sachsen-Anhalts jedenfalls geht von der Mühle bis zum Verkauf nur durch Frauenhände. Für ihr „Altmärker“ haben die acht Damen der Apenburger Landbäckerei im Altmarkkreis Salzwedel uralte Traditionen neu belebt.
„Auf den kargen Böden Nordeutschlands gedeiht Roggen viel besser als der anspruchsvollere Weizen“, sagt Bäckermeisterin und Chefin Karin Beier. Seit Jahrhunderten verarbeiten die Altmärker ihn zu einem herzhaften Sauerteigbrot. Das „Altmärker“ knüpft an diese Tradition an. Verarbeitet wird ausschließlich tagfrisch gemahlenes Bio-Roggenvollkornmehl aus der eigenen Mühle. Nach dem Ansetzen erhält der Teig einen Tag Zeit, sein typisch herzhaftes Aroma zu entfalten. Was nach Landidylle klingt, ist viel Handarbeit, sagt Chefin Beier. Für die Bäckerin beginnt der Arbeitstag abends um acht und endet erst tief in der Nacht.
Als eine der kleinsten Bäckereien im Land bringen es die Damen dabei auf bis zu 600 Brote pro Schicht. Ermüdend findet Beier ihren Beruf dennoch nicht. „Es ist eine große Faszination, jeden Tag das Ergebnis des eigenen Schaffens zu erleben.“ Dabei ist das „Altmärker“ bislang noch eher ein Geheimtipp. Wer es probieren will, fährt am besten direkt nach Apenburg oder auf den Wochenmarkt Gardelegen. Auch nach Magdeburg will die Bäckerei aber ihre Fühler ausstrecken. Wer nicht warten mag, erhält seine Lieferung notfalls schon jetzt über die Buslinie Salzwedel-Magdeburg, sagt Verkäuferin Sabine Fischer. Frauen sind möglicherweise eben nicht nur die besseren Bäckerinnen.
Ein Sachse braut das süffigste Bier
Junge Leute mögen mildes, leichtes Bier, sagt Mark Anton Hiller. Er muss es wissen, mit seinen 30 Jahren ist er einer der jüngsten Braumeister im Land. Im Sudenburger Brauhaus in Magdeburg hat der gebürtige Sachse nun das offiziell leckerste Bier Sachsen-Anhalts entwickelt.
Um das „Sudenburger Helle" zu kredenzen, bekam er alle Freiheiten, die er brauchte. Beim Bau der erst im vergangenen Jahr neu eröffneten Brauerei legte Hiller jedes Detail bis zur letzten Fliese fest. Entstanden ist ein Brauhaus, das ganz auf Handwerk und Qualität setzt. Alle Zutaten kommen aus Sachsen-Anhalt. Mindestens 28 Tage lagert das Bier in den Tanks.
Gebraut wird streng nach dem deutschen Reinheitsgebot. Wie aber kommt man zu einem typisch eigenen Geschmack, wenn man nur Hopfen, Malz, Hefe und Wasser verwenden darf? Mark Anton Hiller könnte darüber ganze Vorträge halten. Allein der Hopfen ist mit mehr als 100 Sorten eine Wissenschaft für sich. „Es gibt zitronige Sorten oder solche, die nach Orange schmecken", erzählt er. Beim Malz bieten sich helle und dunkle Sorten mit oder ohne Röstcharakter an. Worauf genau er bei seinem Hellen setzt, verrät der Braumeister naturgemäß nicht. Allein beim Wasser lässt sich der Braumeister in die Karten schauen – es kommt aus der Colbitz-Letzlinger Heide und gilt als besonders rein.
„Schön mild und solide und auch bei Zimmertemperatur süffig", meinen die Experten zum Ergebnis. Auch die Bügelflasche und das Logo überzeugten die Gourmets. Zum Lohn darf sich das „Sudenburger Helle" künftig mit einem Kulinarischen Stern schmücken. Wer Lust auf ein kühles Sudenburger bekommen hat, wird in vielen Märkten des Landes fündig. Zu haben ist das Bier etwa in Magdeburg, Zerbst, Stendal, Wernigerode bis hinunter nach Köthen. Die Brauer wollen es künftig noch weiter vermarkten. Anfragen gibt es aus Berlin, Hamburg und Dresden.
Leckerer als das Original
Für Anett de Vries begann alles mit einem Auftrag ihres Mannes Arnold. Auf Sardinien probierte der aus dem Käseland Holland stammende Landwirt den Schafsmilchhartkäse Pecorino – und sah sich bei seinem Ehrgeiz gepackt. „Es heißt immer, die Italiener machen den besten Pecorino", sagt er. „Aber das ist nicht wahr." Anett de Vries musste also den Beweis erbringen. Im Familienbetrieb „Jaare" mit 280 artgerecht gehaltenen Schafen begann sie zu experimentieren: Welche Bakterienkultur ist fürs nötige Ansäuern der Milch am besten geeignet, welche Milchzusammensetzung braucht es? Es klappte nicht sofort. „Ich habe manchen Käse zum Müll gebacht", erzählt Vries lachend. Am Ende aber stand der Jaare-Pecorino. Ein Hartkäse mit fein-würzigem Duft und sehr mildem Geschmack, so die Jury. Am besten schmeckt der übrigens nach acht Monaten Reifezeit, empfiehlt Arnold de Vries.
Ziemlich beste Freunde – der Landwirt und die Bienen
Die Landwirtschaft ein Feind der Bienen? – nicht mehr als ein Vorurteil. Der beste Honig Sachsen-Anhalts kommt von einem Landwirt aus der Börde. 350 Hektar Land bewirtschaftet Frank Böcker um seinen Hof in Emden bei Haldensleben, die Imkerei betreibt er mit seiner Frau Yvette nur nebenbei. Dafür aber mit Leidenschaft: In den Honig seiner Bienen mischt das Paar Pollen aus Weide, Apfelbaum oder Raps. Die aromatische Zutat tragen die Bienen bei der Heimkehr vom Nektar-Sammeln als Kügelchen an ihren Beinchen.
Vernarrt in die Insekten ist Frank Böcker schon seit dem Studium in Halle. Dort leitete er einen Lehrbienenstand an der Uni und kam einfach nicht mehr los. „Die Bienen haben Suchtpotenzial", sagt er. Frau Yvette kann da nur zustimmend nicken. Dass es dauert, um ihren Honig in die Gläser zu bringen, nehmen beide in Kauf. Bis zu drei Wochen müssen sie täglich rühren, damit sich die Pollen gleichmäßig verteilen. Das Ergebnis kann sich sehen und schmecken lassen: Die Jury spricht von einer besonderen floralen Aromatik. Wer probieren will, sollte sich beeilen. Verkauft wird der Honig auf dem Böckerhof und in Hallenser Bäckereien, spätestens Weihnachten war er bislang noch immer ausverkauft.
Harzer Kräuter-Schinken
Ein wenig überrascht war Julia Thielecke dann doch. Schon zum zweiten Mal erhält der Familienbetrieb ihrer Eltern in Tanne einen Kulinarischen Stern. Nachdem Brockenbauer Thielecke die Jury im vergangenen Jahr mit Rinderbraten vom Harzer Höhenvieh verzaubert hatte, war es diesmal der Wildkräuter-Schinken vom Angler Sattelschwein.
Verantwortlich für den Erfolg ist vor allem Tochter Julia. Nach dem Betriebswirtschaftsstudium leitet sie inzwischen die familieneigene Schlachterei und Fleischerei. „Irgendwann haben wir gemerkt, Rinderfleisch allein funktioniert nicht, erzählt die 32-Jährige. „Es braucht auch Fett und Speck vom Schwein."
Die Wahl fiel nicht grundlos auf das Angler Sattelschwein. Wie beim Harzer Höhenvieh handelt es sich um eine alte, vom Aussterben bedrohte Haustier-Rasse. Auf dem Hof der Thieleckes im Oberharz haben die Tiere jede Menge Auslauf, bekommen Grassilage und Heu. Erst nach mindestens einem Jahr werden sie geschlachtet. Entscheidend ist aber die anschließende Verarbeitung: In das fein marmorierte Fleisch wird per Hand eine Marinade aus Wildkräutern einmassiert. Anschließend kommt der frische Schinken in die Reifekammer und bleibt dort wenigstens zwei bis vier Wochen.
Dass der Hof einmal so erfolgreich werden würde, damit hätten die Thieleckes vor Jahren wohl selbst kaum gerechnet. Alles begann vor 23 Jahren mit einer Kuh namens Elsa. „Die hat meine Mutter meinem Vater damals zum 30. Geburtstag geschenkt", erzählt Julia Thielecke lachend. Elsa muss ihren Vater so fasziniert haben, dass er nicht anders konnte, als Rinder zu züchten.