Übergangsgelder Land zahlt Millionen für Ex-Politiker
Allein in diesem Jahr werden mehr als zwei Millionen Euro Übergangsgelder für ehemalige Minister, Staatssekretäre und Abgeordnete fällig.
Magdeburg l In Sachsen-Anhalt sind nach der Landtagswahl 59 Abgeordnete aus dem Landtag ausgeschieden. Bis zum beruflichen Wiedereinstieg erhalten sie ein Übergangsgeld. Schon wer dem Landtag ein Jahr angehörte, erhält drei Monate Übergangsgeld. Langjährige Abgeordnete wie Jürgen Scharf (CDU, 63) oder Thomas Felke (SPD, 53) werden sogar 24 Monate lang versorgt.
Das Übergangsgeld entspricht der Abgeordnetendiät: 5655 Euro waren das in der vergangenen Wahlperiode. Nach Volksstimme-Recherchen werden damit für die ehemaligen Abgeordneten allein im Monat Mai rund 265.000 Euro fällig. Eigentlich wären es sogar 334.000 Euro – weitere Einkünfte werden jedoch angerechnet. Für das Jahr 2016 dürften die Übergangsgelder für die ehemaligen Abgeordneten bei mehr als 1,5 Millionen Euro liegen.
Auch für Minister und Staatssekretäre gibt es diese Absicherung. Sechs Minister und drei Staatssekretäre gehören der neuen schwarz-rot-grünen Landesregierung nicht mehr an. Bis Ende des Jahres könnte sich ihre Versorgung auf mehr als 550.000 Euro belaufen. Die Begleichung aller Ansprüche der ehemaligen Minister, Staatssekretäre und Abgeordneten dürfte in den nächsten Jahren insgesamt einen mittleren einstelligen Millionenbetrag kosten.
„Ich halte das für sinnvoll“, sagt der Magdeburger Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch. „Demokratie kostet Geld. Die Frage an die Gesellschaft ist: Was wollen wir ausgeben, wenn wir in der Politik qualifizierte wollen?“ Die Entschädigung der Landtagsabgeordneten in Sachsen-Anhalt (5975 Euro) findet Renzsch nicht zu hoch. Er sagt: „Jeder Rechtsanwalt, Arzt oder Uni-Professor verdient mehr.“
Ein Überblick über die Absicherungen:
Minister: Sechs Minister von Schwarz-Rot gehören der neuen schwarz-rot-grünen Landesregierung nicht mehr an: Jens Bullerjahn (SPD), Angela Kolb-Janssen (SPD), Norbert Bischoff (SPD), Hartmut Möllring (CDU), Stephan Dorgerloh (SPD) und Hermann Onko Aeikens (CDU). Als Übergangsgeld erhalten sie drei Monate weiter ihr volles Amtsgehalt: 12.457,80 Euro. Für die Monate Mai, Juni und Juli würde die Landeskasse also theoretisch mit mehr als 220.000 Euro belastet werden. Angela Kolb-Janssen ist nun jedoch Landtagsabgeordnete, ihre Bezüge werden gegengerechnet.
Nach den drei Monaten stehen den Ex-Ministern weitere 21 Monate die Hälfte des Amtsgehalts zu, also rund 6229 Euro. Ohne Kolb-Janssen könnten für diesen Zeitraum also rund 650.000 Euro anfallen. Sollte einer der Ex-Minister jedoch über andere Einkünfte verfügen, würde dieser Betrag möglicherweise nicht komplett ausgeschöpft werden.
Staatssekretäre: Für drei Staatssekretäre war in der neuen Landesregierung kein Platz mehr: Ulf Gundlach (CDU, 58, Inneres), Anja Naumann (SPD, 48, Soziales) und Jan Hofmann (61, Kultus) mussten gehen. Sie wurden in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Drei Monate gibt es weiter die vollen Bezüge in Höhe von rund 10.500 Euro.
Im Anschluss daran stehen ihnen maximal drei Jahre „ruhegehaltfähige Dienstbezüge“ zu. Das heißt: Sie erhalten knapp 72 Prozent des letzten regulären Gehalts, etwa 7500 Euro. Sollten Gundlach, Naumann und Hofmann diese Zeit voll ausreizen, muss das Land in den nächsten drei Jahren insgesamt rund 900.000 Euro für sie aufbringen.
Staatssekretäre sind die Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung. Mit dem Minister fällen sie gemeinsam Entscheidungen und leiten in der Regel das Haus. Deshalb ist ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihrem Minister notwendig – ist das nicht mehr gegeben, können sie jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. In der vergangenen Wahlperiode gingen vier Staatssekretäre vorzeitig.
Abgeordnete: 59 Abgeordnete sind zum Mai aus dem Landtag ausgeschieden. Darunter waren einige „Abgeordnete der ersten Stunde“, also Männer und Frauen, die seit 1990 im Landtag saßen: zum Beispiel Jürgen Scharf (CDU, 63) oder Thomas Felke (SPD, 53). Manch ein Abgeordneter war aber auch nur eine Wahlperiode im Parlament. Wer dem Landtag mindestens ein Jahr angehört hat, erhält drei Monate Übergangsgeld. Für jedes weitere Jahr der Zugehörigkeit gibt es das Übergangsgeld einen weiteren Monat (maximal zwei Jahre lang). Das Übergangsgeld entspricht der vollen Abgeordnetendiät: 5655 Euro waren das in der vergangenen Wahlperiode.
Wer also wie Scharf und Felke mehr als 22 Jahre lang Mitglied des Landtags war, hat Anspruch auf 24 Monate Übergangsgeld: Sie erhalten insgesamt also bis zu 136.000 Euro. Frank Thiel (Die Linke, 64), der von 2002 bis 2016 im Landtag war, stehen zum Beispiel 16 Monate Übergangsgeld zu. Sören Herbst etwa (Grüne, 36), der dem Parlament die vergangenen fünf Jahre angehörte, hat Anspruch auf sieben Monate.
Im Mai beläuft sich die Gesamtsumme für die Übergangsgelder der Abgeordneten auf rund 334.000 Euro. Da jedoch andere Einkünfte der ehemaligen Abgeordneten angerechnet werden, sind es real 265.000 Euro. „Der Betrag ändert sich in der Summe der personenbezogen unterschiedlichen Ansprüche von Monat zu Monat nach unten bis zum Auslaufen der Zahlungen“, sagt Landtags-Pressesprecherin Ursula Lüdkemeier. Insgesamt wird für die Abgeordneten ein Betrag im einstelligen Millionenbereich anfallen.
Altersversorgung: Wer mehr als zehn Jahre Mitglied des Landtags ist, kann früher in Rente gehen. Ab dem elften Jahr entsteht der „Anspruch auf Altersentschädigung ein Jahr früher“, heißt es im Abgeordnetengesetz. Das heißt: Ein Abgeordneter, der 20 Jahre im Landtag gesessen hat, kann bereits mit 55 bis 57 Jahren in Rente gehen.
Für jedes Jahr im Landtag erwirbt der Politiker drei Prozent Altersentschädigung. Wer also fünf Jahre im Landtag gesessen hat, erhält mit dem Renteneintritt 900 Euro (zusätzlich zu den gesetzlich erworbenen Ansprüchen). Frank Thiel erhält nach 14 Jahren rund 2510 Euro. Wer wie Scharf und Felke mehr als 23 Jahre im Landtag war, bekommt die Höchstsumme von 4123,26 Euro.
Bei Ministern liegt der frühestmögliche Zeitpunkt für eine Ministerversorgung beim 60. Lebensjahr. Wer fünf Jahre Minister war, erhält 30 Prozent des Amtsgehalts. Für jedes weitere Jahr gibt es 2,4 Prozent mehr.