Zoff um Tierwohllabel "Ein Armutszeugnis auf ganzer Linie": Das sagen Sachsen-Anhalts Grüne zum Scheitern von Agrarministerin Julia Klöckner
Das Tierwohllabel von Julia Klöckner ist gescheitert. Enttäuschung und schwere Vorwürfe gegenüber der Landwirtschaftsministerin bleiben, wie auch das exklusive Statement von Sachsen-Anhalts Grüne zeigt.
Foto: Presse - https://dorothea-frederking.de/startseite/
Magdeburg/Berlin - Nach vielen Jahren des Ringens um das Tierwohllabel ist es wieder einmal gescheitert, wie am vergangenen Dienstag die stellvertretende Fraktionschefin der Union im Bundestag, Gitta Connemann bekannt gab.
"Das Scheitern des sogenannten Tierwohllabels ist der letzte Beweis dafür, dass es Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner nie ernst war, für mehr #Tierschutz zu sorgen", äußerte sich am Donnerstag dazu Grünen-Chef Robert Habeck knallhart auf seinem Instagram-Kanal zu seinen 114.000 Abonnenten.
Auf dem geposteten Schnappschuss hält der Grünen-Parteichef ein süßes Ferkel. Die Worte, die der 51-jährige Politiker dazu schreibt, sind dagegen eher bitter und enthalten schwere Vorwürfe gegenüber Agrarministerin Julia Klöckner.
"Indem Klöckner das Projekt jetzt scheitern lässt, schadet sie nicht nur den Tieren, sondern auch den Bäuerinnen und Bauern, die dringend Planungssicherheit brauchen. Und sie schadet den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die ein Recht auf Transparenz haben", teilt Habeck aus.
Der Grünen-Chef alarmiert in seiner Botschaft: "Eine gute Landwirtschaftspolitik bedeutet, Tier-, Umwelt- und #Klimaschutz in einem zu denken. Die Landwirtschaftspolitik ist eine zentrale Stellschraube bei der Bekämpfung der #Klimakrise." Weiter fordert Habeck: "Wir brauchen einen Systemwechsel."
Statement von Grüne aus Sachsen-Anhalt gibt Rückenwind
Nachdem öffentlichen Vorwurf von Robert Habeck hat die Volksstimme bei der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt nachgefragt, ob sie dem Ganzen zustimmen. Eine Rückmeldung gab ihre agrarpolitische Sprecherin Dorothea Frederking.
Frau Frederking, stimmt die Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem harten Vorwurf von Grünen-Chef Robert Habeck vollkommen zu (ja/nein) und warum?
Dorothea Frederking: "Ja - es stimmt, dass es Frau Klöckner nicht ernst meint mit der Verbesserung beim Tierwohl. Denn sonst hätte sie längst die Vorschläge des von ihr im April 2019 einberufenen „Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung“ umgesetzt.
Das vom ehemaligen Bundesagrarminister Jochen Borchert geleitete Gremium erachtet den Umbau in der Nutztierhaltung als erforderlich und empfiehlt für die Finanzierung eine mengenbezogene Verbrauchsabgabe.
Gleichzeitig soll die Qualität der Tierhaltung über ein staatliches Tierwohllabel kommuniziert werden. Frau Klöckner hat es nicht vermocht, dieses schlüssige Konzept umzusetzen. Ein Armutszeugnis auf ganzer Linie: Keine Verbesserung für die Tiere, landwirtschaftliche Betriebe können nicht planen und dem Wunsch der Gesellschaft nach mehr Tierwohl wird nicht nachgekommen."
Ist aus Ihrer Sicht das Tierwohl-Label noch zeitgemäß und inwiefern würde sich ein Tierwohllabel positiv auf Sachsen-Anhalts Landwirtschaft auswirken?
Dorothea Frederking: "Ja - eine Kennzeichnung zu den Haltungsbedingungen der Tiere, zu den Produktionsverfahren und zur Herkunft ist längst überfällig. Wir brauchen ein verpflichtendes, einheitliches, verständliches und für alle tierischen und pflanzlichen Lebensmittel geltendes Kennzeichnungssystem.
Damit wird Transparenz geschaffen und die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich beim Einkauf bewusst für mehr Tierwohl, mehr Umwelt- und Klimaschutz und mehr Artenvielfalt entscheiden. Als Grüne wollen wir eine vierstufige Kennzeichnung mit „Null, Eins, Zwei, Drei“ analog zur Eierkennzeichnung, weil diese seit Jahren praktiziert wird und gut funktioniert.
"Damit wird Transparenz geschaffen."
Dorothea Frederking
Neue Systeme - sei zwei- oder dreistufig, sei mit einer verbalen Auslobung oder mit anderen Ziffern - verwirren nur und führen nicht zum Erfolg. Eine vierstufige Kennzeichnung wird am besten verstanden.
So können an der Ladentheke am ehestens faire Preise für wertvolle Lebensmittel erzielt werden, die sich dann in höheren Erzeugerpreisen - natürlich auch bei der sachsen-anhaltischen Landwirtschaft - niederschlagen. Nur mit einer guten ökonomischen Basis können die Betriebe die gesellschaftlichen Anforderungen erfüllen. Wir brauchen faire Preise zum Wohl von Mensch und Tier. Der Schlüssel dafür liegt in der Kennzeichnung."
Das geplante staatliche Logo für Fleisch aus besserer Tierhaltung kommt nach Angaben der Koalitionsfraktionen bis zur Bundestagswahl nicht mehr zustande. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Dorothea Frederking: Leider verharrt die CDU immer noch im Vorgestern und Frau Klöckner als eine ihrer prominenten Vertreter*innen hat nicht anerkannt, dass Tiere fühlende Mitgeschöpfe sind, die ein Recht auf ein artgerechtes Leben haben.
Die meisten Nutztiere befinden sich heute in industriellen Tierhaltungsanlagen und werden dort für maximalen Profit ausgebeutet. Die Lobbyisten dieses Systems haben offensichtlich bei Frau Klöckner erreichen können, dass es bisher noch keine Veränderungen gibt und alles beim Alten bleibt."
Beschluss auf EU-Ebene angestrebt
Die stellvertretende Fraktionschefin der Union im Bundestag, Gitta Connemann, begründete das am Dienstag, den 15. Juni damit, dass Fleischindustrie und Teile des Handels schon ein eigenes Tierwohllabel eingeführt hätten, das "inzwischen bundesweit bekannt und am Markt etabliert" sei.
Eine darüber hinausgehende, staatlich vorgeschriebene Haltungskennzeichnung sei national nicht zu machen, sondern könne nur auf EU-Ebene beschlossen werden, betonte Connemann. Dafür wolle man sich einsetzen.