Regierungsbildung Koalitionsverhandlungen in Sachsen-Anhalt: In der CDU staut sich viel Ärger an
Unmut über geplante Zerschlagung des Umwelt- und Agrarministeriums / Widerstand gegen möglichen Wechsel Tullners ins Justizministerium
Magdeburg - In der CDU-Landtagsfraktion wächst Unmut über die geplante Neuordnung der Ministerien. Vor allem die Zerschlagung des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie sorgt für Ärger. Zuletzt wurde diskutiert, die Bereiche Wissenschaft, Umwelt und Energie in einem Ressort zu vereinen. Dieses Ministerium soll von Armin Willingmann (SPD) geleitet werden. Zudem soll es ein neu zugeschnittenes Ministerium geben, in dem Wirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus angesiedelt werden. Minister soll der CDU-Landesvorsitzende Sven Schulze werden.
Offiziell will sich in der CDU-Fraktion niemand dazu äußern. Doch hinter vorgehaltener Hand gibt es massive Kritik. „Diese Ressort-Zuschnitte sind eine Katastrophe“, sagt ein Fraktionär. Die Zerschlagung des bislang von Claudia Dalbert (Grüne) geleiteten Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft und Energie wäre ein Desaster.“ Dass nun erwogen werde, Wissenschaft und Umwelt in einem Ressort zusammenzuführen, sei eine Lachnummer. „Das passt inhaltlich überhaupt nicht zusammen“, heißt es in der CDU-Fraktion. „Es geht gar nicht um die Sache, sondern um persönliche Befindlichkeiten.“
Willingmann will Wirtschaft
Hintergrund ist, dass Sven Schulze den derzeit von Willingmann verantworteten Wirtschaftsbereich übernehmen will. Dafür wurde dem SPD-Politiker ein Ministerium für Wissenschaft, Umwelt und Energie angeboten. Schulze, der bislang im Europaparlament sitzt, möchte bei einem Wechsel in die neue Landesregierung ein aufgepepptes Ministerium übernehmen, um so seine Rolle als Kronprinz von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zu untermauern.
Die Union hatte vor der Landtagswahl stets deutlich gemacht, dass das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie wieder von der CDU übernommen werden soll. Dass es nun zwischen SPD und CDU aufgeteilt werden soll, „berge erhebliches Konfliktpotenzial für die nächsten Jahre“, prophezeit ein Fraktionär.
Heftig diskutiert wird auch die Überlegung, den bisherigen Bildungsminister Marco Tullner (CDU) zum Chef des Justizressorts zu machen. „Das wäre ein kapitaler Fehler“, warnt ein Unions-Mann. Die Justiz habe sich in den zurückliegenden Jahren stiefmütterlich behandelt gefühlt. Eine Ernennung Tullners wäre ein Schlag ins Gesicht der Justiz. Tullner selbst, so ist zu hören, würde sich auch dieses Ministeramt zutrauen.
Der Bund der Richter und Staatsanwälte sowie der Verband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter wandten sich gestern in einem Brandbrief an Haseloff. Dass mit Tullner ein Nicht-Jurist Justizminister werden solle, „bereitet uns sehr große Sorgen vor dem Hintergrund, dass gerade in der jetzt begonnenen Legislaturperiode die Justiz und damit der Rechtsstaat in Sachsen-Anhalt personell wie sachlich auf eine harte Probe gestellt werden wird“, heißt es in dem Schreiben.
Vertrauen verspielt
Die ehemalige Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) habe mit ihrer Personalpolitik großes Vertrauen verspielt. Nun brauche es einen Minister, der „fachlich wie persönlich in der Lage ist, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Auch dies gelingt nur mit einem hinreichenden Verständnis für das richterliche Amt.“ Da Tullner über keinerlei politische Erfahrung in der Dritten Gewalt verfüge und in der letzten Legislaturperiode als Bildungsminister fungiert habe, „fragen wir uns, welchen Stellenwert der Rechtsstaat in Sachsen-Anhalt für die neue Landesregierung haben soll“.
Selbst in der CDU-Fraktion gibt es erheblichen Widerstand gegen eine erneute Minister-Ernennung Tullners. Auch, weil dessen Leistungen im Bildungsministerium als zu schwach empfunden werden. Sollte es dennoch dazu kommen, müsse Haseloff bei der Ministerpräsidenten-Wahl wohl mit Gegenstimmen aus der CDU-Fraktion rechnen, wird gemunkelt. Auch in der Landespartei hat Tullner einen schweren Stand. Bei der Aufstellung der Kandidatenliste für die Landtagswahl wurde der Hallenser mit knapp unter 60 Prozent gewählt.