Corona-Impfungen Oberbürgermeister will Prinzip „Magdeburger zuerst“ durchboxen
Zwischen Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper und Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne spitzt sich ein Streit über Impfungen für Bürger aus anderen Bundesländern zu. Die Stadt lehnt Impfungen für Auswärtige ab. Die Ministerin hat Trümper nun unmissverständlich aufgefordert, seinen Kurs ändern.
Magdeburg. Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper kam am Mittwoch gut vorbereitet in die Pressekonferenz zur Corona-Lage der Stadt. Das Thema – heikel: Wer darf sich in Zeiten knappen Impfstoffs wo impfen lassen? Geht das nur im eigenen Landkreis oder auch in anderen Bundesländern?
Seit Tagen liegt der SPD-Mann Trümper hier auf Konfliktkurs mit seiner Parteikollegin und Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne. Der Oberbürgermeister will Impfungen nicht mehr an Bürger aus Nachbarländern vergeben: Anlass: Mehr als 40 Prozent der Terminanfragen für 4800 Anfang April gelieferte Astrazeneca-Dosen in der Landeshauptstadt waren nach Ostern von Bürgern anderer Länder reserviert worden – aus Berlin, Hamburg, vor allem aber aus Niedersachsen.
In Absprache mit dem Land hat die Stadt den wegen seiner Nebenwirkungen nicht unumstrittenen Impfstoff zuvor für über 60-Jährige freigegeben – es brauchte also keine Zugehörigkeit zur Gruppe prioritär Impfberechtigter, um einen Termin zu bekommen. Grund war auch die Sorge des Ministeriums, den Impfstoff nicht loszuwerden. Die Nachricht stieß dann aber auch überregional auf großes Interesse. „Als Oberbürgermeister bin ich aber zuallererst verantwortlich für die Einwohner meiner Stadt“, betonte Trümper.
Und er begründete das: 72000 Menschen über 60 Jahre gebe es in Magdeburg, darunter allein 18 000 über 80. Die Quote der Erstimpfungen liege aktuell bei 19,2 Prozent. Die Sterblichkeit bei einer Covid-19-Infektion sei wegen der vergleichsweise alten Bevölkerung in Sachsen-Anhalt mit 3,59 Prozent gleichzeitig deutlich höher als in Niedersachsen (2,35 %) oder Berlin (2,02 %). „Es erschließt sich mir nicht, wie ich da als Oberbürgermeister vertreten kann, 40 Prozent der Dosen an Auswärtige zu vergeben“, so Trümper.
Es erschließt sich mir nicht, wie ich vertreten kann, 40 Prozent der Dosen an Auswärtige zu vergeben.
Lutz Trümper, Oberbürgermeister
Die Haltung des Oberbürgermeisters hatte ihm bereits am Dienstag Widerspruch von Petra Grimm-Benne eingebracht. In der „Mitteldeutschen Zeitung“ kündigte die Ministerin gar an: „Wir werden den Oberbürgermeister morgen anweisen, jeden zu impfen, der sich anmeldet.“ Aus der Anweisung wurde gestern ein Brief an Trümper. In einer Mitteilung erklärte Grimm-Benne: „Ich habe den Oberbürgermeister heute aufgefordert, auch solche anspruchsberechtigten Personen zu impfen, die ihren Wohnsitz nicht in Magdeburg haben.“ Übergeordnetes Ziel müsse die Impfung der gesamten Bevölkerung und ein solidarischer Zugang zu Impfungen – ungeachtet des Wohnortes – sein. Die Impfkampagne sei „nationale Aufgabe“ und folge keinem Territorialprinzip.
Tatsächlich ist laut Verordnung jeder Bürger in jedem Landkreis impfberechtigt, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat und der die medizinischen Kriterien erfüllt. Erst am Montag hatte Grimm-Bennes Ministerium die Impfzentren aller Landkreise und großen Städte des Landes erneut auf die Regelung hingewiesen. Grimm-Benne begründete ihre Position zuletzt auch damit, dass verhindern werden sollte, das Impfstoff ungenutzt liegen bleibt, weil Interessenten fehlen. Zudem könnten sich Bürger aus Magdeburg umgekehrt auch in Braunschweig impfen lassen.
Trümper ließ das so nicht stehen und zitierte die „Braunschweiger Zeitung“. Darin habe Anne Hage, Sprecherin des niedersächsischen Gesundheitsministeriums erklärt, Impfungen für Bürger aus Sachsen-Anhalt seien in Niedersachsen nicht möglich. Hage bestätigte das der Volksstimme gestern: Die Länder hätten ihre Vakzine nach Bevölkerungsgröße zugewiesen bekommen.
In Zeiten knappen Impfstoffs wolle man zudem nicht noch unnötigen Impftourismus fördern, sagte sie. Trümper ergänzte in seiner Pressekonferenz, Impfstoff liege in Magdeburg auch keineswegs auf Halde. Sämtliche Termine könnten leicht vergeben werden. Rückendeckung erhielt er von Landkreistagspräsident Michael Ziche (CDU). Er könne das Vorgehen Trümpers gut nachvollziehen, sagte Ziche. Auch in anderen Kreisen, wie Stendal habe es wiederholt Terminreservierungen etwa durch Bürger aus Berlin gegeben. Wenn die Kreise ihre Aufgabe der Pandemie-Eindämmung aber ernst nehmen, sei die Impfung der eigenen Bevölkerung eine der vorrangigsten Aufgaben. Magdeburgs Oberbürgermeister erklärte am Ende seiner Pressekonferenz, an seinem Vorgehen festhalten zu wollen.
Wenn man ihm mit der Staatsanwaltschaft drohe, müsse er noch mal nachdenken, sagte er. Vorerst aber bleibe er bei seiner Haltung.