Bildungspolitik Sachsen-Anhalt - Schlusslicht bei Schulabschlüssen
Nach aktuellen Zahlen liegt Sachsen-Anhalt sowohl bei Schulabschlüssen, die zum Studium berechtigen, als auch beim Schulabbruch auf dem letzten Platz aller Bundesländer. Die Linke warnt: Das Land verspiele seine Zukunft. Auch Wirtschaft und Uni Magdeburg äußern sich besorgt.
Magdeburg - Ab Montag startet das Ausbildungsjahr in Sachsen-Anhalt: Die Zahl der Bewerber kannte zuletzt allerdings nur einen Trend – abwärts. Von fast 16.000 im Jahr 2008/9 schmolz sie laut Agentur für Arbeit auf 11.000 2018/19. Der Nachwuchs schwindet – auch aus demografischen Gründen. Die Linke im Landtag sieht die Probleme durch falsche Weichenstellungen in der Bildungspolitik aber zusätzlich verschärft. Die Folgen zeigten sich inzwischen gleich an mehreren Flanken:
Erstens: Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes war der Anteil der Schüler, die ein Abitur oder Fachabitur ablegten, zuletzt in keinem Bundesland so niedrig. Mit 38,4 Prozent lag er 2019 deutlich unter dem Schnitt der übrigen ostdeutschen Flächenländer (46,2 Prozent), die ihrerseits hinter den alten Ländern zurückblieben (51,7 Prozent).
Zweitens: In keinem anderen Bundesland verließen mehr Schüler die Schulen, ohne zumindest einen Hauptschulabschluss in der Tasche zu haben. 2019 traf das auf 11,6 Prozent der Abgänger zu. Das ist mehr als jeder Neunte. Mehr als 5 Prozent gehen dabei auf das Konto von Förderschulabgängern. Diese werden statistisch als Schulabbrecher gewertet.
„Der in den letzten beiden Wahlperioden vollzogene Personalabbau fordert seinen Tribut“, sagte Linke-Vizefraktionschef Thomas Lippmann zu den Zahlen. – Ebenso wie Rückschritte bei der Entwicklung von Schulstrukturen und Unterrichtsqualität. Fest macht Lippmann das etwa am „Unterrichtsaufwand“, gemessen in Lehrerwochenstunden je Schüler.
Der in den letzten beiden Wahlperioden vollzogene Personalabbau fordert seinen Tribut.
Thomas Lippmann, Die Linke
Nach Daten der Kultusministerkonferenz (KMK) liegt das Land hier in nahezu allen Schulformen mit Ausnahme des Gymnasiums bundesweit auf dem letzten Platz. Für Industrie und Handwerk werde sich die Bewerberlage für die Berufsausbildung deshalb weiter verschlechtern, glaubt Lippmann. „Tausende Schulabgänger verfügen schon heute nicht über ausreichende Kenntnisse für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung.“
Simone Danek, Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau, wollte die Zahlen selbst nicht kommentieren, aus parteipolitischen Auseinandersetzungen halte man sich heraus, sagte sie. Aber: „Die sachsen-anhaltischen Unternehmen beklagen schon seit Jahren, dass vielen Jugendlichen die notwendige Ausbildungsreife fehlt. Es hapert nicht nur oft an grundlegenden Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben, sondern auch an sozialen Kompetenzen.“
Hagen Mauer, Präsident der Handwerkskammer Magdeburg, forderte eine Stärkung der Realschulbildung. Denn, der Großteil der Auszubildenden im Handwerk habe einen Realschulabschluss als Vorbildung.
Jens Strackeljan, Rektor der Uni Magdeburg, erklärte zu den Zahlen: „Auch in Sachsen-Anhalt wird die Wissensgesellschaft wesentliches Element einer ökonomischen Weiterentwicklung sein. Ohne ausreichende Quote von Akademikerinnen und Akademikern werden wir im Wettbewerb keine Chance haben.“
Das Bildungsministerium sieht die Defizite vor allem in falschen Annahmen mit Blick auf die Entwicklung der Lehrerzahlen Anfang der 2010er Jahre begründet. „Der Mangel an qualifizierten Lehrkräften ist nicht wegzureden.
Von einem ’Personalabbau’ in dieser Legislatur zu sprechen, ist unsachlich und fast schon populistisch.
Bildungsminister Marco Tullner (CDU)
Aber von einem ’Personalabbau’ in dieser Legislatur zu sprechen, ist unsachlich und fast schon populistisch“, sagte Minister Marco Tullner (CDU).
„Im Gegenteil: Seit 2016 konnten zirka 5000 Einstellungen vorgenommen werden.“ Tullner verwies auf zahlreiche Korrekturen in seiner Amtszeit: Einstellungen würden häufiger, teils dauerhaft stattfinden. Notenmindestvorgaben für Bewerber seien aufgehoben, Fächerkombinationen geöffnet worden. Gerade an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen setze das Land auf Seiteneinsteiger. Die Lehrer-Ausbildungskapazitäten an den Unis seien erhöht worden und stiegen weiter – an der Uni Halle langfristig auf 1000 Erstsemesterplätze. Das Land suche mit Headhunter-Agenturen inzwischen auch im EU-Ausland nach Lehrern.
Mit Blick auf die Abbrecherquote verwies Tullner auf das Programm „Schulerfolg sichern!“ Mit Hilfe der Schulsozialarbeit habe man die Quote bereits senken können. Eine an der Uni Magdeburg in Auftrag gegebene Studie solle zudem Ursachen des Schulabbruchs erhellen.
Die Linke gibt sich damit nicht zufrieden. Als Konsequenz aus der Lage fordert sie unter anderem die getrennte Lehrerbildung für Gymnasium und Sekundarschulen aufzuheben und mehr Lehramtsstudienplätze auch in Magdeburg. Uni-Rektor Strackeljan sagte: „Die Situation an den Schulen des Landes Sachsen-Anhalt ist weiterhin kritisch und wird sich, ohne, dass wir proaktiv gegensteuern, auch langfristig nicht verbessern.“ Was Ideen für die Lehramtsausbildung betrifft, dürfe es keine Denkverbote geben. Könnte heißen: Die Uni Magdeburg (derzeit 200 Erstsemesterplätze) wäre auch zu mehr Engagement bereit.