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Studie im Burgenlandkreis Schulen sind keine Corona-Hotspots

Schulen sind keine Hotspots der Pandemie – so die Bilanz einer vierwöchigen Studie der Unimedizin Halle an 85 Schulen im Burgenlandkreis im Süden von Sachsen-Anhalt. Lassen sich die Ergebnisse auf die neue Delta-Variante des Coronavirus übertragen? Länder wie Israel melden aktuell einen Anstieg der Infektionen mit der Variante. Besonders häufig betroffen: Schüler.

Von Alexander Walter 01.07.2021, 08:46
Leerer Klassenraum: Obwohl der Burgenlandkreis im Frühling Corona-Hotspot war, waren die Schulen dort keine Schwerpunkte der Pandemie. Kindermediziner fordern schon seit Längerem, Schulen auch bei höheren Inzidenzen offen zu halten.
Leerer Klassenraum: Obwohl der Burgenlandkreis im Frühling Corona-Hotspot war, waren die Schulen dort keine Schwerpunkte der Pandemie. Kindermediziner fordern schon seit Längerem, Schulen auch bei höheren Inzidenzen offen zu halten. Foto: dpa

Magdeburg - Über Wochen hielt der Burgenlandkreis ganz im Süden Sachsen-Anhalts im Frühjahr die Rote Laterne bei den Sieben-Tage-Inzidenzen. Bei mehr als 300 Corona-Neuerkrankungen je 100000 Einwohner lag der Wert kurz nach Ostern. Anders als andere Corona-Hotspots im Land ließ der Kreis seine Schulen damals trotzdem offen. Statt auf Distanzunterricht zu setzen, startete die Verwaltung ein Modellprojekt. Gemeinsam mit der Unimedizin Halle ließ der Kreis Schüler an 85 Schulen dreimal pro Woche mit sogenannten Lolli-Tests testen: Vier Wochen lang ging das so, zwei Wochen vor und zwei Wochen nach den Osterferien.

Bei den „Lolli-Tests“ husten Schüler Sekret, sammeln es auf der Zunge und drehen dann ein Teststäbchen mehrere Male im Mund – ganz ähnlich wie bei einem Lolli.

Der Volksstimme liegt jetzt eine Auswertung der Ergebnisse vor. Befürwortern von Schulöffnungen auch bei höheren Inzidenzen dürfte sie Argumente liefern: „Es wurden wenige positive Kinder identifiziert und es gab andererseits keine Hinweise darauf, dass Covid-19-Fälle übersehen worden sind“, sagte Studienleiter Professor Thomas Frese am Mittwoch. Auch habe es gemessen an der Zahl der Tests – 45000 pro Woche – nur sehr wenige falsch positive Ergebnisse gegeben.

Dies alles belege, dass die untersuchten Schulen „keine Hotspots für Covid-19-Infektionen sind“, sagte Frese, zugleich Direktor am Institut für Allgemeinmedizin der Unimedizin Halle.

Das Hauptziel, einen möglichst normalen Schulalltag aufrecht zu erhalten, habe das Projekt erreicht. Frese räumte aber ein: Das Husten bei der Anwendung der „Lolli-Tests“ habe manchen Kindern Schwierigkeiten bereitet. Schnelltests mit Abstrichen aus der Nase wären vielleicht eine bessere Variante gewesen, sagte der Studienleiter.

Nach dem Vorbild des Burgenlandkreises hatte das Bildungsministerium ab Mitte April Corona-Tests zur Pflicht für die Teilnahme am Präsenzunterricht auch im übrigen Land gemacht. Zweimal pro Woche müssen Schüler seither einen Corona-Schnelltest absolvieren. Bis zum Schuljahresende werde das auch so bleiben, sagte Ministeriumssprecher Stefan Thurmann.

Nach Zahlen der Behörde waren am vergangenen Donnerstag landesweit 13 Schüler mit dem Coronavirus infiziert (Bei 170.400 gemeldeten Schülern entsprach das 0,01 Prozent). Allerdings bewegt sich die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit auch jenseits der Schulen mit 1,0 auf einem Tiefstand. Im Burgenlandkreis lag der Wert am Mittwoch bei 2,2.

Auch Dietrich Lührs, Leiter des Ökumenischen Domgymnasiums Magdeburg, hat an seiner Schule früh und in Eigenregie auf Corona-Schnelltests gesetzt. Noch bevor das Land die Tests zur Auflage machte, bestellte der Leiter Test-Kits für seine rund 850 Schüler. „Hin und wieder gab es dabei auch positive Tests“, sagte Lührs. Die Aussage, dass Schulen keine Hotspots Pandemie sind, würde er für seine Schule daher so nicht unterschreiben, ergänzte er. Der Schulleiter hält es für plausibel, dass gerade Schnelltests und die an seinem Gymnasium bis heute im Unterricht geltende Maskenpflicht Ausbrüche verhindert haben. „Spannend wird, wie es nach den Ferien mit der aufkommenden Delta-Variante weitergeht“, sagte Lührs.

In Israel ist die Delta-Variante unterdessen bereits angekommen. In dem Mittelmeer-Land mit rund neun Millionen-Einwohnern stieg die Zahl der Neuinfektionen vergangene Woche wieder deutlich an. Am vergangenen Donnerstag lag sie den vierten Tag infolge bei mehr als 100 – das erste Mal seit zwei Monaten. Besonders häufig betroffen: Ungeimpfte Jüngere. Rund die Hälfte seien Schüler, teilte das Gesundheitsministerium mit. Mehr als 6000 Schüler wurden aufgefordert, sich zu isolieren. Israel hat reagiert: Nach anfänglicher Zurückhaltung empfiehlt die Regierung inzwischen Corona-Impfungen bereits für Jugendliche ab 12 Jahren. In den USA waren, Stand 20. Juni, bereits acht Millionen Teenager ab 12 geimpft. In Deutschland ist die Impfung ab 12 zugelassen. Empfohlen wird sie von der Ständigen Impfkommission (Stiko) aber erst ab 16.

Das Landes-Bildungsministerium kündigte am Mittwoch an, sich auch nach den Sommerferien mit zwei Tests je Schüler in den ersten beiden Schulwochen einen Überblick über das Infektionsgeschehen verschaffen zu wollen. Für weitere Aussagen sei es zu früh, hieß es.

Debatte um Impfungen

Zur Information: Experten wie Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie gehen davon aus, dass sich die Delta-Variante des Coronavirus rasch ausbreiten wird. Schon jetzt könnte der Anteil an den Neuinfektionen in Deutschland bei rund 50 Prozent liegen.

Watzl hält für wahrscheinlich, dass es im Herbst verstärkt zu Ausbrüchen auch in Schulen kommen wird. Sein Rat: Jeder sollte überlegen, sein Kind impfen zu lassen. Allerdings: Zugelassen ist nur der Impfstoff von Biontech und das auch erst ab dem Alter von 12 Jahren. Das für Deutschland zuständige Expertengremium, die Ständige Impfkommission (Stiko), empfiehlt die Impfung erst ab 16. Grund sind auch fehlende Daten über Nebenwirkungen wie Herzmuskelentzündungen, die im Zusammenhang mit Biontech-Impfungen bei Erwachsenen beschrieben wurden.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, schrieb bei Twitter, solche Nebenwirkungen seien äußerst selten. Eine Impfstudie aus den USA zeigt: Unter einer Million zweimal geimpften Jungen zwischen 12 und 17 Jahren traten 70 Fälle von Herzmuskelentzündungen auf, 95 Prozent verliefen harmlos. Ohne Impfung wären laut Studie aber 200 Krankenhausfälle zu erwarten gewesen, zudem zwei Todesfälle und Long-Covid-Fälle. Lauterbach forderte die Stiko auf, ihre eingeschränkte Empfehlung zur Impfung von Jugendlichen ab 12 zu überdenken.

Zahlen des britischen Gesundheitsamtes zeigen, dass die Infektionszahlen bei Kindern zwischen 12 und 16 Jahren dort derzeit deutlich steigen. Bei den 5- bis 9-jährigen war es in der Woche zum 20. Juni ein Anstieg um 70 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. In Krankenhäusern mussten aber nur wenige Kinder behandelt werden.

In Deutschland gab es Delta-Ausbrüche an Schulen bislang in Dresden, Hildesheim und Waiblingen. Eine Studie des RKI legt nahe, dass Kita-Kinder bereits die Alpha-Variante des Coronavirus sehr effektiv auf ihre Eltern übertrugen.