Anhalt-Bitterfeld Cyberangriffe in Sachsen-Anhalt: Schwachstelle öffentliche Verwaltung
Auch drei Wochen nach einem Cyberangriff ist der Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt weiter nicht voll handlungsfähig. Jetzt soll die Bundeswehr helfen, die Verwaltung rasch wieder fit zu machen.
Magdeburg - Knapp drei Wochen nachdem mit Anhalt-Bitterfeld erstmals ein deutscher Landkreis wegen eines Cyberangriffs den Katastrophenfall ausgerufen hat, warnt Sachsen-Anhalts Landkreistag vor einem Mangel an IT-Experten in kommunalen Verwaltungen:
„Wir haben Probleme, die besten Köpfe in die Verwaltungen der Kreise zu bekommen“, sagte Heinz-Lothar Theel, Geschäftsführer des Landkreistages, gestern der Volksstimme. Dabei spiele auch die mögliche Höhe der Bezahlung eine Rolle. Für Städte und Gemeinden bestehe das Problem ebenfalls. „Je kleiner eine Gemeinde ist, desto schwieriger wird es.“
Erst Ende vergangener Woche hätten sich die Landräte zum Problem Datensicherheit ihrer Verwaltungen ausgetauscht. „Wir werden in einem nächsten Schritt unsere IT-Sicherheitsleute zusammenrufen“, ergänzte Theel. Unabhängig von Fragen der Personalausstattung werde es mit fortschreitender technischer Entwicklung immer wieder Möglichkeiten zu Angriffen geben, ergänzte Theel.
Das Thema ist in den Landkreisen angekommen.
„Das Thema ist nach dem Angriff aufs Köthener Landratsamt in jedem Fall verstärkt in den Landkreisen angekommen“, so der Geschäftsführer.
Bei der Cyberattacke Anfang Juli hatten Unbekannte eine sogenannte Ransomsoftware vermutlich über das Druckersystem der Kreisverwaltung Anhalt-Bitterfeld in deren IT-Netzwerk eingeschleust. Daten auf mehr als 100 Rechnern wurden so verschlüsselt. Die Täter verlangten ein Lösegeld in Millionenhöhe als Gegenleistung für die Entschlüsselung. Der Kreis lehnte die Zahlung ab, war vorerst aber weitgehend lahmgelegt, reaktivierte für die Kommunikation gar Fax-Geräte.
Als Reaktion auf die Zahlungsablehnung veröffentlichten die Täter Protokolle aus Ausschusssitzungen im Darknet.
Inzwischen funktioniert der Mailkontakt laut Kreisverwaltung über geänderte Mailadressen wieder. Auch Sozialleistungen werden nach Medienberichten wieder ausgezahlt. Elterngeld und Unterhaltsvorschüsse können aber vorerst weiter nicht gezahlt werden. Auch die Zulassung von Kfz ist noch immer nicht möglich – mit Folgen:
Bei Autohändlern im Landkreis steigt die Zahl der Fahrzeuge, die auf eine Zulassung warten. Im Autohaus Brüggemann in Bitterfeld etwa lag sie gestern bei zehn.
„Gleichzeitig können wir rote Kennzeichen für Probefahrten nicht verlängern“, sagte Axel Weber, kaufmännischer Mitarbeiter im Autohaus. „Dafür kann niemand etwas, aber für uns ist das natürlich ein Handicap.“ Nach einem Amtshilfeantrag an die Bundeswehr sollen IT-Experten der Truppe den Landkreis jetzt bei der Aufarbeitung des Angriffs unterstützen. Die Soldaten sollen sowohl beim Aufspüren von Ursache und Quelle des Angriffs als auch beim Aufbau einer neuen, sichereren IT-Struktur helfen, sagte Thomas Poloczek, Sprecher des Landeskommandos der Bundeswehr.
Insgesamt 900 Computer der Kreisverwaltung müssen künftig neuen Sicherheitsvorkehrungen entsprechen.
Ein von Medien aufgegriffener, vermeintlicher Sicherheitsvorfall im IT-System der Verwaltung von Bernburg hat sich unterdessen als Fehlalarm entpuppt. „Nach aktuellem Kenntnisstand hat es weder einen Trojaner noch andere Schadsoftware im IT-System in Bernburg gegeben“, sagte Michael Klocke, Sprecher des Landeskriminalamts gestern auf Volksstimme-Anfrage.
Nach aktuellem Kenntnisstand hat es weder einen Trojaner noch andere Schadsoftware im IT-System in Bernburg gegeben.
Von dem Cyberangriff im Kreis Anhalt-Bitterfeld sensibilisiert, seien Server der Stadt allerdings zeitweise heruntergefahren worden.
Zum Stand der Ermittlungen in Anhalt-Bitterfeld gaben die Behörden gestern keine neuen Auskünfte. Spezialisten seien dabei, den oder die Angreifer zu ermitteln, hieß es. Bis zu einem Ergebnis könne es Wochen dauern.