Debatte im Landtag Seit fünf Jahren gibt es in Sachsen-Anhalt die Kenia-Koalition: War sie nur ein „laues Lüftchen“, oder hat sie viel erreicht?
„Es hat hier und da gerumpelt“: Wie bewerten die Landtagsfraktionen die fünfjährige Arbeit der Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt?
Magdeburg. Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, dass in Sachsen-Anhalt ein bis dato bundesweit einmaliges Experiment gewagt wurde. CDU, SPD und Grüne schmiedeten als selbst ernanntes Bollwerk gegen die AfD die sogenannte Kenia-Koalition. Nicht wenige sagten dem Bündnis ein schnelles Ende voraus. Tatsächlich stand die Koalition immer mal wieder am Abgrund, doch letztlich rauften sich alle Akteure immer wieder zusammen.
Die AfD bewertete in der Landtagsdebatte die Arbeit des Bündnisses als „bestenfalls mangelhaft“. Es sei zu wenig für Familien getan und zu viel für die Integration Zugewanderter ausgegeben worden, sagte Fraktionschef Oliver Kirchner. Er beklagte einen Investitionsstau und eine Unterfinanzierung der Kommunen. Die finanzielle Lage des Landes sei trotz jahrelanger Rekordeinnahmen desaströs.
Der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Rainer Robra (CDU), sagte, die drei Partner seien nicht füreinander bestimmt gewesen, hätten aber gut zusammengearbeitet. „Es hat hier und da gerumpelt“ – das sei aber auch in anderen Legislaturperioden so gewesen, betonte er.
Robra verwies auf Erfolge der Regierung. So sei die Arbeitslosigkeit zurückgegangen, und es habe viele Investitionen gegeben. Zudem sei der Strukturwandel weg von der Kohle auf den Weg gebracht worden. Das Land bekomme 4,6 Milliarden Euro dafür und werde damit verantwortungsvoll umgehen. „Ich lasse mir mein Sachsen-Anhalt von Ihnen weder schlechtreden noch kaputtmachen“, sagte Robra an die AfD gerichtet.
„Fünf Jahre Kenia-Koalition waren ein laues Lüftchen“, sagte Linken-Fraktionschefin Eva von Angern. Sie sprach von „vielen vertanen Chancen“, die Regierungskoalition habe das Vertrauen der Menschen auf zu vielen Feldern enttäuscht. So seien zum Beispiel weder die versprochene Angleichung der Ost- an die West-Renten noch die angestrebte Unterrichtsversorgung von 103 Prozent erreicht worden.
Von Angern attackierte direkt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Sie warf dem Regierungschef vor, für eine politische Kultur gesorgt zu haben, „für die man sich nur schämen kann“. So sei AfD-freundliches Verhalten in der CDU-Fraktion geduldet worden, Haseloff sei mithin „kein Garant gegen eine blau-braune Versuchung“. In der Debatte um höhere Rundfunkbeiträge habe der Regierungschef ohne Kabinettsbeschluss die Verfassung gebogen.
SPD setzt auf neue Mehrheiten
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle konstatierte: „Was unter diesen Bedingungen von Kenia erreichbar war, das haben wir erreicht.“ Mit dem Kinderförderungsgesetz seien Familien und Kommunen entlastet worden. Die Straßenausbaubeiträge seien abgeschafft, ein Azubi-Ticket für die Mobilität junger Menschen eingeführt worden.
Nicht zufrieden zeigte sich die SPD-Fraktionschefin mit der Schulpolitik. So lasse Sachsen-Anhalt nach wie vor viele Lehrer ziehen.
„Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“, habe Max Weber geschrieben. „Noch nie war seit 1990 in Sachsen-Anhalt ein Brett so dick und so fest wie das Brett von Kenia“, sagte Pähle. „Aber wir haben in dieses Brett einige sehr markante Pflöcke gesetzt. Nach der Zeit der Kenia-Koalition werden neue Mehrheiten auch auf diese Erfolge aufbauen können.“
CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt sprach mit Blick auf die Arbeit der Koalition von einem „Drahtseilakt“. Er fügte hinzu: „Wir sind nicht runtergefallen, wir haben es so lange austariert, bis es gegangen ist.“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann räumte ein: „Wir hatten heftige Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen.“ Das sei manchmal bis an die Substanz gegangen. Dennoch sei viel für Klima- und Umweltschutz erreicht worden. „Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen fünf Jahren grüner, demokratischer und nachhaltiger geworden“, sagte sie. „Aber sie werden sehen, da geht noch deutlich mehr.“